Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Steuerhinterziehung Elitedenken STEFAN SCHELP
Bielefeld (ots)
Du meine Güte, was haben wir uns aufgeregt. Da bürgen wir mit Milliarden, damit Griechenland nicht absäuft, und was machen die Reeder, Großindustriellen und all die anderen Schwerreichen? Sie bringen die Milliarden außer Landes. In die Schweiz, nach Luxemburg, auf die Cayman-Inseln. Wie haben wir den Kopf geschüttelt über den französischen Film-Klops Gérard Dépardieu. Zieht der doch in die russische Taiga, um dem Pariser Fiskus zu entgehen. Uli Hoeneß ist kein Grieche, und nur wenige behaupten, er sei ein Schauspieler. Aber auch er hat Geld in die vermeintlich sichere Schweiz gebracht. Die Bezeichnung "Steuersünder" ist für ihn zu milde. Er muss es sich gefallen lassen, dass man ihn einen Betrüger nennt. Er, der aus der für Deutschland größtmöglichen Höhe nun in die Tiefe stürzt. Hoeneß ist kein Grieche, er ist kein Schauspieler - und er ist kein Einzeltäter. Jede Wette, dass wir uns in den kommenden Monaten mit weiteren Namen beschäftigen werden, die uns auf beängstigende Weise geläufig sind. Bis Ende 2015 wird das Thema Schwarzgeld im Ausland abgehakt sein, glauben Finanzexperten. Da kommt noch was auf uns zu. Verstörend an der Geschichte ist vor allem, dass die vermeintliche Elite in den Fokus rückt. Steuerhinterziehung in großem Stil ist nun mal ein Oberschichtenphänomen, die kleinen Krauter haben dafür von vornherein nicht genügend Geld. Die Elite, das sind Menschen, die uns eigentlich Orientierung bieten sollten. Eine Gruppe von vielleicht 1.000 Menschen. Minister, Spitzenmanager, Großunternehmer oder Richter an Bundesgerichten. Die Gruppe ist wenig durchlässig, sie rekrutiert sich aus dem gehobenen Bürgertum. Die Mitglieder dieser Gruppe werden "oben" geboren. Geraten sie nicht - aus welchen Gründen auch immer - völlig aus der Spur, haben sie ihr Plätzchen an der Sonne von Beginn an sicher. Und auch wenn selbst diese Menschen sich nicht ihre eigenen Gesetze machen können - beeinflussen können sie die Gesetzgebung auf jeden Fall. Wen wundert es also, dass diese Menschen den Eindruck gewinnen, sich ihre eigenen Regeln geben zu können, nur um dann ganz besonders pikiert zu reagieren, wenn ihnen dann doch jemand auf die Füße tritt? Das haben wir bei adligen Plagiatoren ebenso erlebt wie bei Privatbankiers, die großspurig ihre altehrwürdigen Anstalten in den Ruin gewirtschaftet haben. Die Öffentlichkeit reagiert immer dann besonders gereizt, wenn einer stürzt, der nicht in die Elite hineingeboren wurde. Wie bei Christian Wulff, der sich aus kleinen Verhältnissen an die Spitze geboxt hatte. Oder eben bei Uli Hoeneß, der es vom talentierten Fußballer zum erfolgreichen Unternehmer und Präsidenten des Übervereins FC Bayern München gebracht hat. Ihnen nehmen wir besonders übel, wenn sie ihrer Steuerzahler-Bürgerpflicht nicht nachkommen. Denn natürlich müssen reiche Leute reichlich Steuern zahlen. Aber sie sind auch danach noch richtig reich.
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