Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Presseplätze beim NSU-Prozess Fortuna blind wie die Justiz RALF MÜLLER, MÜNCHEN
Bielefeld (ots)
Ärger und Frustration um die Vergabe der Presseplätze im anstehenden NSU-Terrorprozess sind nach dem zweiten Anlauf nicht kleiner geworden. Beim ersten Mal waren beim sogenannten Windhundverfahren die türkischen Medien draußen geblieben, obwohl die meisten der NSU-Opfer türkische Wurzeln hatten. Beim zweiten Anlauf nun wurde gelost. Das Problem der türkischen Medien wurde damit einigermaßen gelöst, aber dafür gab es in der Gruppe der deutschen Medien einige - gelinde gesagt - wenig sachdienliche Ergebnisse. Fortuna ist eben genauso blind wie die Justiz. Große überregionale Tageszeitungen erhalten keinen garantierten Zugang zum Verhandlungssaal, auch nicht diejenigen, die in den Städten erscheinen, in denen der NSU seine Mordtaten ausführte. Dass viele Medien, die im ersten Anlauf einen der reservierten Plätze hatten ergattern können, diesmal leer ausgingen, liegt in der Natur der verfahrenen Sache. Derzeit ist noch nicht vorhersehbar, ob sich ein neuer Sturm der Entrüstung aufbauen wird oder die Ergebnisse des notariell beglaubigten Zufalls auch von den Verlierern letztlich hingenommen werden. Es gibt allerdings schon jetzt Hinweise, dass bei den Bewerbungen unter bewusster und gewollter Ausnutzung der medienpolitischen Unkenntnis der Justiz getrickst wurde. Zum Beispiel, indem einige behaupteten, sie seien fremd- beziehungsweise türkischsprachig, obwohl dies in Wirklichkeit nicht der Fall ist. Das kann noch Ärger geben. Nach wie vor unverständlich bleibt, warum das Gericht nicht einfach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts folgend noch drei Plätze für türkische Medien im Gerichtssaal installieren ließ. Es soll doch nun wirklich niemand behaupten, dass dies praktisch nicht möglich gewesen wäre. Dann wäre Ruhe gewesen.
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