Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Neue Bedarfsplanung für Ärzte Düstere Aussichten PETER STUCKHARD
Bielefeld (ots)
Es war der hässliche Begriff der Ärzteschwemme, der 1993 von der Politik bemüht wurde, um die Niederlassungsfreiheit zu beenden. Seitdem gibt es das Institut der Arztsitze. Deren Zahl wurde in insgesamt 395 deutschen Bezirken von einer Bedarfsplanung festgelegt. Der nicht unrealistische Gedanke dahinter: Wenn ein Arzt eine Praxis eröffnet, erzeugt dieses Angebot automatisch eine Nachfrage. Doch die Zeiten haben sich geändert. Obwohl es immer mehr Vertragsärzte gibt, gibt es auch örtlichen Ärztemangel. Um das zu ändern, wurden die Instrumente verfeinert: Kleinere Planungsgebiete und ein Demografiefaktor sollen es ab heute richten. Das werden sie aber nicht. Denn was nutzen zum Beispiel neun neue Arztsitze in Espelkamp, wenn sich niemand findet, der sich dort niederlassen will? Das weiß auch die Kassenärztliche Vereinigung, die die ärztliche Versorgung sicherstellen muss. Dort ist man nicht optimistisch. Der Grund: Frauen mit einem 1,0-Notendurchschnitt im Abitur, die Medizin ja geradezu studieren müssen, erobern den Arztberuf. Der dann aber oft nicht oder nicht sehr lange ausgeübt wird: Die Feminisierung des Berufes gefährdet die Versorgung. Diese Diagnose ist so zutreffend wie irreführend. Denn natürlich ist die männliche Dominanz im Arztberuf nicht naturgewollt. Aber Kinder, womöglich Küche und Karriere unter einen Hut zu bekommen ist in unserer Gesellschaft nun einmal ungeheuer schwierig. So wie die Dinge liegen, müssten für jeden freien Hausarztsitz zwei Medizinerinnen ausgebildet werden. Das ist dann der reale personelle Bedarf. Es gibt eine weitere Lösung: Die Abinote als Auswahlkriterium wird abgeschafft und durch Empathiefähigkeit und Herzensbildung ersetzt. Wie so etwas funktionieren kann, zeigt die Uni Witten-Herdecke.
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