Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Der "Fall ADAC" gibt zum Nachdenken Anlass Macht und Mensch MATTHIAS BUNGEROTH
Bielefeld (ots)
Viel Ungemach bricht dieser Tage herein über den mitgliederstärksten Verein in Deutschland, den Allgemeinen Deutschen Automobilclub (ADAC). Nicht nur die knapp 19 Millionen Mitglieder dieser Institution fragen sich, wie es kommen konnte, dass der Club seine Glaubwürdigkeit in der öffentlichen Wahrnehmung fast völlig eingebüßt hat. Nahezu täglich schreibt der ADAC neue Negativschlagzeilen, angefangen bei Manipulationen zur Wahl des "Lieblingsautos der Deutschen" über die Nutzung von Rettungshubschraubern durch Personen der Clubführung bis hin zu Vorwürfen der Bestechung bei Badeseentests in vergangenen Jahren. Mittlerweile erkennt selbst ADAC-Präsident Peter Meyer grundlegenden Reformbedarf seines Vereins, den ein Großteil der Öffentlichkeit immer noch in erster Linie als Hilfsorganisation wahrnimmt, der sich in Wirklichkeit aber zu einem Großunternehmen mit Milliardenumsatz entwickelt hat. Die Tätigkeitsfelder unter anderem: Tourismus, Autovermietung, Versicherungen, Mobilfunk, Fernbusse, Finanzdienste. Schon 2004 warf das Manager-Magazin dem Automobilclub vor, er werde geführt wie ein "Schützenverein". Resultat seien "Verschwendung und zweifelhafte Geschäfte". Der Bericht kulminiert in dem Satz: "Eine Handvoll Funktionäre steuert weitgehend unkontrolliert die Geschäfte." Ein Satz, der auch zehn Jahre später an Aktualität nichts eingebüßt hat. Diese Erkenntnis gibt zum Nachdenken Anlass, unabhängig vom "Fall ADAC". Seit Genrationen beschäftigen sich Sozialpsychologen und Managementexperten mit dem Phänomen der Macht und dem, was sie mit den Menschen macht, die sie ausüben. Egal ob in Unternehmen, gesellschaftlichen Zusammenhängen oder privaten Beziehungen. Psychologen haben hierfür den Begriff "Paradoxon der Macht" geprägt. Der Hamburger Sozialpsychologe Erich Witte fand heraus: "Nur in den seltensten Fällen kann jemand Machtmissbrauch widerstehen." Dies gelte unabhängig davon, wie freundlich und hilfsbereit eine Person vor Übernahme der Machtposition gewesen ist. Dies sei ein evolutionär begründeter Mechanismus. Weitere Erkenntnis Wittes und vieler seiner Kollegen, wie des US-Forschers Philip Zimbardo: "Macht verändert unweigerlich - zum Guten oder zum Schlechten." Die letztere Variante sei aber wahrscheinlicher, so Zimbardo. Dem stimmt der Managementcoach Michael Schmitz zu und geht noch einen Schritt weiter: "Selbst die, die mit den besten Motiven nach der Macht greifen, werden von ihr verändert." Inhaber solcher Positionen hörten anderen nicht mehr richtig zu, nähmen Mitarbeiter nicht ernst. Ja, sogar: "Sie können besser lügen und empfinden dabei weniger Stress." Re-flektion über die Macht sei unabdingbar für jeden, der eine Machtposition übernehmen wolle, so Schmitz. Die neue Nachdenklichkeit in Zeiten des immer schnelleren Austauschs von Daten und folglich höheren unternehmerischen Erfolgsdrucks könnte also helfen, das Klima unter dem Eindruck der Macht menschlicher zu machen. Henry Ford formulierte dies so: "Ein Geschäft, das nur Geld einbringt, ist ein schlechtes Geschäft."
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