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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Demos in Dresden abgesagt Wenig Mut CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots)

Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist in Deutschland ein hohes Gut. Sie ist im Grundgesetz garantiert. Immer wieder wird erklärt, dass Demokratien nicht erpressbar sind, sondern wehrhaft. Doch kaum stoßen Islamisten eine Terrordrohung aus, sammeln der Rechtsstaat und seine Vertreter alle Bekenntnisse ein. Die Polizei hat alle Demonstrationen in Dresden für heute Abend abgesagt - die Pegida-Aufmärsche genauso wie die Gegendemos. Inhalte und Ziele der Pegida-Bewegung sind und bleiben falsch und undifferenziert, dennoch hat die Organisation das Demonstrationsrecht. Das hat eine Demokratie auszuhalten und macht sie sogar aus. Weil nur wenigen Mitgliedern der Organisatoren Gewalt angedroht wurde - nach dem, was wir wissen, nicht ein Anschlag auf die gesamte Veranstaltung angekündigt ist -, schränkt die Dresdner Polizei ein wichtiges Grundrecht ein. Da stimmt die Verhältnismäßigkeit nicht. Sie hätte die Betroffenen intensiver schützen müssen. Das tut sie bei jeder kleinen Rechtsradikalen-Demo auch. Natürlich wäre das Unglück groß, wenn tatsächlich etwas passierte. Aber wollen wir wirklich alle schon zu Hause bleiben, uns nicht mehr politisch für unsere Werte bekennen, weil es eine Drohung gibt? Mut sieht anders aus. In Paris waren am vergangenen Sonntag Hunderttausende auf der Straße. Auch dort hätte sich ein weiterer Anschlag ereignen können. Sie waren trotzdem alle da. So hat der Terror in Deutschland einen Sieg davongetragen, noch bevor er wirklich zugeschlagen hat. Man mag sich nicht vorstellen, was in Deutschland passiert, wenn sich hier etwas ereignet, was mit den Pariser Taten vergleichbar ist. Besonders bitter: Es besteht die Gefahr, dass diese Debatte die Islamkritik und -feindlichkeit nur anheizt und das gesellschaftliche Klima in Deutschland vergiftet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Islamgegner dadurch nur noch mehr Zulauf bekommen, weil sie sich bestätigt fühlen in ihrer Abneigung und Angst. Da es in einer freien Gesellschaft sowieso keinen absoluten Schutz geben kann, hätte die Polizei über die Drohungen informieren, alle möglichen Gegenmaßnahmen ergreifen und die Veranstaltungen stattfinden lassen sollen.

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