Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Flüchtlingstod vor Lampedusa Zynische Quittung Julius Müller-Meiningen, Rom
Bielefeld (ots)
Als im Oktober 2013 über 350 Flüchtlinge vor der Küste der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa ertranken, war die Empörung überall groß. Die EU, so lautete damals die weitverbreitete Sicht, mache sich am hundertfachen Tod von Menschen schuldig, die ein besseres Leben in Europa suchen und bei ihrer Flucht über das Mittelmeer sterben. Italien, das von allen Ländern der Gemeinschaft das Flüchtlingsproblem am unmittelbarsten spürt und übrigens auch für die Bestattung der Leichen zuständig ist, startete damals mit der Operation Mare Nostrum eine humanitäre Initiative. Militärschiffe patrouillierten in der Nähe der libyschen Küste und nahmen die Schiffbrüchigen auf. Unter humanitären Aspekten war die Operation ein Erfolg. Italien fühlte sich aber alleingelassen und kündigte Mare Nostrum im vergangenen Oktober auf. Seither agiert die EU-Grenzschutzagentur Frontex mit ihrem wesentlich defensiveren Mandat Triton. Den Flüchtlingen kommen die Retter seither nur noch bei Seenotrufen entgegen. Dass es Hunderte weitere Tote im Mittelmeer gibt, ist deshalb die zynische und kaum überraschende Quittung für Europas Passivität.
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