Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Aufschub für defizitäre EU-Staaten Der Kontrolleur traut sich nicht Knut Pries, Brüssel
Bielefeld (ots)
Stabipakt und Fiscal Compact, Two Pack und Six Pack, länderspezifische Empfehlungen und übermäßiges Defizit-Verfahren - wie das sogenannte europäische Semester im Einzelnen funktioniert, wissen nur Fachleute. Wie die zyklische gemeinsame Überwachung der Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten nicht funktioniert, hat sich indes herumgesprochen. Nämlich im Sinne des Erfinders Deutschland: klare Regeln für alle, nachvollziehbare Aufsicht durch die EU-Kommission in Brüssel, gegebenenfalls Strafen bei hartnäckigem Regelverstoß. Dies ist erkennbar nicht der Gang der Dinge. Die jüngste Runde, vor allem die Nachsicht gegenüber Spanien und Portugal, zeigt: Der Kontrolleur traut sich nicht. Und zwar nicht aus Feigheit, sondern aus Überzeugung. Die Kommission unter ihrem Chef Juncker versteht sich ausdrücklich als politisches Organ. Das ist prinzipiell auch gut so. Das offene Ohr für politische Erwägungen nimmt ihr aber die Tauglichkeit als neutraler Anwender eines Regelwerks. Die Regeln ihrerseits werden durch ständige Verflüssigung unbrauchbar. Die Extremlage der Finanzkrise, in der Ausnahmen von den Vorgaben unvermeidlich waren, ist nun vorbei. Trotzdem wird hartnäckig gegen den Stabilitätspakt verstoßen, auch in Ländern, wo die Konjunktur gar nicht so übel läuft. Was tun? Als Stein der Weisen wird derzeit in Brüssel die Einrichtung eines unabhängigen, rein technisch ausgerichteten Kontrolleurs erwogen, so wie er - oder aktuell sie - das europäische Wettbewerbs- und Beihilferecht überwacht. Doch man täusche sich nicht: Das setzte einen Verzicht auf nationale Eigenständigkeit voraus, von dem die Europäische Union meilenweit entfernt ist.
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