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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Kanzlerin vor der Hauptstadtpresse Merkels Verantwortung Dieter Wonka, Berlin

Bielefeld (ots)

Deutschland ist zu einer Kanzlerinnendemokratie geworden. Selten wird das so deutlich wie an dem Tag, da die CDU-Vorsitzende und Regierungschefin sich die Zeit nimmt, um mit den Hauptstadtkorrespondenten für 90 Minuten über ihre Politik zu plaudern. Einmal jährlich besteht die klitzekleine Chance, abseits der vorgedachten und vorformulierten Kanzlerinnensätze etwas aus der politischen Werkstatt zu erfahren. Und Jahr für Jahr ergibt sich die gleiche beinah niederschmetternde Bilanz: Egal welche Themen angeschnitten werden, gleichgültig, wie unklar ihre Antworten sind, am Ende überwiegt der Eindruck, dass es schon irgendwie laufen wird. Nach Terminen wie diesen kann man den abgeschlagenen SPD-Herausforderer verstehen. Es ist wohl aussichtsreicher, einen Pudding an die Wand zu nageln, als Angela Merkel im Wahlkampf in die Bredouille zu bringen. Unverständlich ist die Jammerei von Schulz, dass daran Merkel, die Medien oder andere dunkle Mächte schuld seien. Denn zum Duell mit Merkel gehören immer zwei. Schulz hätte wissen müssen, dass man von Anfang an kämpfen muss, um eine Chance zu haben. Stattdessen startete er mit der Beschreibung möglichst vieler Gemeinsamkeiten mit der Chefin im politischen Ring. Kritik am unklaren Kurs, an falschen Weichenstellungen erfährt Angela Merkel seit Jahr und Tag nur noch in kleiner werdenden homöopathischen Dosen. Diese Kanzlerin hat die politische Republik in ihrer Fähigkeit zum kritischen Diskurs mehr verändert als Helmut Kohl. Die CDU hat Angela Merkel zu einem Club der mitlaufenden Weggefährten gemacht. Sie fertigt ihre Mitstreiter in jedweder Koalition ab. Sie ist aber auch in ihrer unprätentiösen Art und Weise eine Wohltat gegenüber Brandstiftern wie Donald Trump oder Alexander Gauland. Gelöst ist deswegen noch nicht viel. Es klemmt bei der Integration, Europa zerfasert, die Weltlage bleibt in Aufruhr, die Klimaschutzziele sind in weite Ferne gerückt. Viele andere offene Fragen schleppt die Kanzlerin mit sich herum. Dazu gehört das "Wie" einer auch zukünftig gerechten Rente, der überfällige Schub bei der Digitalisierung, die Defizite bei der Bildung, die vertane Chance zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Daran trägt auch Angela Merkel ihren Teil der Verantwortung. Aber am Ende bleibt wieder mal der Eindruck, die anderen sind offenbar nicht wirklich überzeugender. So ist die Lage.

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