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Neue Westfälische (Bielefeld): Lage in Afghanistan Mut zur Ehrlichkeit Marina Kormbaki, Berlin

Bielefeld (ots)

Heute auf den Tag genau vor 16 Jahren trat Deutschland dem Krieg in Afghanistan bei. Die Protokolle jener Bundestagsdebatte vom 22. Dezember 2001 zeugen von Zuversicht. Die Redner des damaligen rot-grünen Regierungsbündnisses und der Union zeigen sich erleichtert über den Sturz der Taliban durch die US-Armee. Jetzt, so der Tenor, könne mit dem Bau von Schulen begonnen werden. Deutsche Soldaten könnten eine "Starthilfe für diesen neuen politischen Prozess" leisten. Sie dauert nun schon eineinhalb Jahrzehnte an, ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Der Krieg, den man in Deutschland lange nicht als solchen bezeichnen wollte, geht ins 17. Jahr. Im Gespräch ist jetzt kein Abzug, sondern eine Aufstockung der Truppe am Hindukusch. Die Verteidigungsministerin und der Außenminister haben in dieser Woche den Boden für diese Debatte bereitet. Binnen weniger Tage haben Ursula von der Leyen und Sigmar Gabriel das Bundeswehrfeldlager in Masar-i-Scharif besucht. Beide haben sich die Klagen der Soldaten über den Personalmangel vor Ort angehört. Beide haben Verständnis gezeigt und auf den Bundestag verwiesen. Anfang nächsten Jahres, bei der anstehenden Verlängerung des Afghanistan-Mandats, werden die Abgeordneten auch über dessen Aufstockung zu entscheiden haben. Es droht eine verdruckste Debatte. Zu groß scheint die Gefahr, dass die Entsendung weiterer Soldaten als Eskalation gedeutet wird. Als Eingeständnis des Scheiterns. Doch das verkennt die Komplexität der Lage. Seit drei Jahren rückt die Bundeswehr nicht mehr aus zum Gefecht. Sie kämpft nicht mehr, sie soll den afghanischen Streitkräften das Kämpfen beibringen. Das ist der Kern der NATO-Mission "Resolute Support". Zurzeit bilden 60 Berater ihre Verbündeten aus. Die übrigen der 980 im Mandat vorgesehenen Soldaten sind zu deren Schutz und Unterstützung vor Ort. Angesichts der Größe und der Gefahren im Zuständigkeitsgebiet der Deutschen ist das zu wenig. Zudem müssen sie bei der Schulung der Afghanen meist bei null anfangen. Wenn es dem Bundestag ernst ist mit der Befähigung der Afghanen zur Selbstverteidigung, muss er die Bundeswehr entsprechend ausstatten. Alles andere ist unehrlich gegenüber den Bürgern und verantwortungslos gegenüber der Armee. Eine Aufstockung birgt allerdings keine Erfolgsgarantie. Ob aus einem Land, in dem jeder Clanchef seine eigene Miliz unterhält, ein Staat zu machen ist, ist fraglich. Deutschland muss sich der Frage nach dem Sinn des Einsatzes grundsätzlich stellen. Mut zur Ehrlichkeit ist im 17. Kriegsjahr überfällig.

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