Neue Westfälische (Bielefeld): Essener Tafel schließt Ausländer aus Unwürdiges Modell Martin Krause
Bielefeld (ots)
Wer hätte das gedacht: Horst Seehofer (CSU) und Sahra Wagenknecht (Die Linke) sind sich sehr nah in ihrem Verständnis für die Essener Tafel. Der Beschluss, als Bedürftige nur noch Deutsche neu aufzunehmen, sei "ein Hilferuf" der Helfenden, sagt der Bayer. Die Entscheidung sei "ein Hilfeschrei", kein Rassismus, findet die Ostdeutsche. Aha? Nun, ob rassistisch oder rechtsradikal, in jedem Fall handelt es sich um eine Diskriminierung von Ausländern, die in dieser Art entsetzlich ist. Dabei galt es doch als Konsens, dass in unserem Land niemand zu hungern und zu frieren braucht. Oder? Klar ist: Der starke Flüchtlingszustrom 2015 und 2016 hat die Behörden ebenso wie die ganze deutsche Gesellschaft auf eine Probe gestellt, die längst noch nicht bestanden ist. Die Politik der offenen Grenzen, auf die wir eigentlich stolz sein dürften, statt uns von Zynikern als Gutmenschen beschimpfen lassen zu müssen, hat uns ein Dilemma eingebrockt. Denn die großzügige Aufnahme damals war zugleich natürlich eine Verheißung und eine Einladung an andere Menschen in Not. Dieses Dilemma setzt sich heute fort: Eine großzügige Unterstützung der Armen unter den Flüchtlingen weckt Begehrlichkeiten bei allen anderen, die bedürftig sind. Kein Zweifel: Tafeln wie die in Essen sind finanziell und menschlich wohl überfordert mit dem gewachsenen Andrang. Auch die Skepsis gegenüber manchem, der sich da drängelnd in die Schlangen einreiht, ist grundsätzlich erlaubt. Ebenso wie die Frage, ob tatsächlich alle, die da kommen, tatsächlich Bedürftige sind - oder im Einzelfall nur Menschen, die einfach ein günstiges Angebot wahrnehmen wollen, um ihr Geld anderweit auszugeben. Doch Ungeduld und Vorteilssuche sind nicht an die Herkunft oder den Pass gebunden. Die Essener Art der Diskriminierung ist unserer Werte und unseres Landes unwürdig. Dieses Essener Modell erwächst aus politischem Versagen. Die Zustände sind die Folge von Fehlern im Umgang mit Flüchtlingen, etwa was Bürokratie und Zugang zum Arbeitsmarkt angeht, aber auch im Umgang mit Armut allgemein. Wir müssen erkennen, dass Alleinerziehende, Kinderreiche und Senioren in unserem reichen Land ein erhöhtes Armutsrisiko haben. Die Problemlösung darf nicht von ehrenamtlichen Helfern privater Tafeln erwartet werden.
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