Die Last des Alters
Klaus Thomas Heck zur Bevölkerungsvorausberechnung
Mainz (ots)
Während CDU/CSU eine nach den 1990er Jahren müffelnde Debatte über das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht wiederbeleben, haben die Statistiker am Freitag ganz nüchterne Zahlen vorgelegt: Das Land vergreist. Die Generation der Baby-Boomer wird den Arbeitsmarkt mittelfristig verlassen. Und weil Frauen noch immer zu wenige Kinder bekommen, wird die Bevölkerungszahl - zumindest ohne Zuwanderung - schrumpfen. Demografen prophezeien eine solche Entwicklung seit Jahrzehnten - doch in der Politik waren die Kräfte meist größer, die eigentlich notwendigen Anpassungen von Infrastruktur, Rente, Gesundheitswesen und Pflege zu ignorieren. Es fehlt, so scheint es, der Mut zu unbequemen Wahrheiten gegenüber dem Wähler. Denn die Wahrheit wäre: Mehr Hochbetagte führen zu höheren Kosten für die Gesellschaft. Auf die Sozialsysteme rollen zusätzliche Milliardenbelastungen zu. Hunderte Milliarden. Und das voraussichtlich in fast ganz Europa. Dabei gibt es Regionen, von denen sich lernen ließe - und die die Herausforderung des demografischen Wandels anpacken. Schweden hat frühzeitige Pensionierungen erschwert. Firmen, die Arbeitnehmer ab 65 beschäftigen, erhalten Steuergutschriften. Älteren Arbeitnehmern gewährt man höhere Freibeträge. Oder nehmen wir Neuseeland. Dort arbeiten ein Fünftel der Über-65-Jährigen trotz Rente ab 65 einfach weiter. Weil der Staat gezielt Umschulungen und Weiterbildungen für Ältere fördert. Jeder Dollar, der hier investiert wird, rechnet sich später - schließlich belasten die Unterstützten die Gesellschaft weniger.
Die Staatsbürgerschaftsdebatte der Union, die nur an den Symptomen herumkrittelt, aber das Grundproblem nicht angeht, sollte schnellstmöglich wieder in ihrer Mottenkiste verschwinden. Denn sie verkennt, dass Deutschland längst nicht so attraktiv ist für qualifizierte Arbeitskräfte, wie CDU/CSU glauben. Das zeigen nicht zuletzt die weitgehend erfolglosen Versuche, Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben. Wie attraktiv mag wohl so ein Land auf mögliche Zuwanderer wirken, das sich solche Abwehrdebatten leistet? Der Blick sollte sich auf das richten, was wirklich nötig ist: die Schaffung einer Gesellschaft, die für Junge wie Hochbetagte gleichermaßen Perspektiven bietet. Dazu können Reformen des Arbeitsmarktes ebenso beitragen wie Anreize für ein (freiwillig) längeres Arbeitsleben. Und qualifizierte Zuwanderung - die sich aber eben auch für die Zugewanderten lohnen muss. Sonst werden Deutschland und Europa über kurz oder lang ihre ökonomische Vormachtstellung an agilere Weltregionen wie Südostasien verlieren.
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