NDR Projekt "Jahrhundertleben": Frauen und Männer aus Norddeutschland erzählen ihre bewegenden Geschichten aus rund einhundert Jahren
Hamburg (ots)
Sie sind alle um die 100 Jahre alt und haben politische und gesellschaftliche Umbrüche in einem Ausmaß miterlebt, wie es für viele heute kaum vorstellbar ist: Für den NDR sind neun Frauen und Männer aus Norddeutschland tief in ihre Erinnerungen eingetaucht, haben ihre Fotoalben geöffnet und erzählen spannend und bewegend aus ihren "Jahrhundertleben". Die Berichte von ihren einschneidenden Erlebnissen und emotionalsten Momenten finden Eingang in die zweiteilige NDR Dokumentation "Jahrhundertleben" und ein umfangreiches Online-Dossier - eine Zeitreise durch die deutsche Geschichte. Hineingeboren in die "Goldenen Zwanziger", erlebten sie als Kinder die Weltwirtschaftskrise und die Machtübernahme der Nationalsozialisten. Auf den Zweiten Weltkrieg folgte ein Leben geprägt durch Not und Neuanfang, auf Jahrzehnte der Deutschen Teilung schließlich die Wiedervereinigung. Und im Rentenalter haben technische Neuerungen, ungeahnte neue Krisen und die Umformung der weltpolitischen Ordnung ein Tempo aufgenommen, dem selbst junge Menschen nur schwer folgen können.
Das umfangreiche Angebot unter ndr.de/jahrhundertleben startet am Montag, 13. Dezember. Entlang der großen historischen Wegmarken sind die Erzählungen der neun norddeutschen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in O-Ton-Filmen zu sehen, Einblicke in ihre Fotoalben und ihre Sicht auf rund 100 Jahre Leben in Deutschland inklusive. In Biografie-Texten, flankiert von Hintergrundinformationen und großen Bildergalerien, können die Userinnen und User in einem umfassenden Erinnerungsschatz stöbern. Die persönlichen Filme sind vom 13. Dezember an zudem in der ARD-Mediathek abrufbar. Die zweiteilige NDR Dokumentation "Jahrhundertleben" ist ab Donnerstag, 16. Dezember, in der ARD Mediathek zu sehen. Das NDR Fernsehen zeigt sie am Sonnabend, 1. Januar, um 17.45 Uhr, und Sonntag, 2. Januar, 15.45 Uhr.
Das NDR Regionalmagazin "Hallo Niedersachsen" widmet Menschen, die rund 100 Jahre alt sind, vom 13. Dezember an eine 7-teilige Wochenserie - immer um 19.30 Uhr im NDR Fernsehen. Die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus dem Online-Dossier und der zweiteiligen Dokumentation, die aus Niedersachsen kommen, sind hier ebenfalls zu sehen. Die weiteren Gesprächspartnerinnen und -partner erzählen speziell in dieser Serie aus ihrem Leben.
Das sind die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen
- Online auf ndr.de/jahrhundertleben und in der Dokumentation "Jahrhundertleben"
Irmgard Eiben aus Wilhelmshaven, 96 Jahre alt, war bereits nahezu taub, hat sich vor zwei Jahren eine Hörprothese implantieren lassen und blüht seitdem regelrecht auf. Fährt, weil nun wieder verkehrstüchtig, mit einem Elektroroller, trifft ihre Freundinnen zum Klönen über Literatur, Sexualität und aktuelle Politik. Die Geschichte von Irmgard Eiben ist die einer Frau, die ihr Leben nicht einfach ausklingen lässt, sondern noch einmal ganz neue Wege geht.
Die 99-jährige Ingeborg Illing wohnt in Salzgitter. Ihr Lebenslauf ist geprägt von einem sehr engen und liebevollen Verhältnis zu ihrer Familie. Das hat ihr auch durch viele schwere gesundheitliche Krisen und über den für sie bis heute sehr schmerzlichen Verlust ihres Mannes geholfen. Bis heute hält sie zu allen Kindern, Enkeln und Urenkeln engen Kontakt, persönlich oder per Skype und WhatsApp. Ohne ihr Tablet könne sie nicht mehr leben, sagt sie.
Helga Klüver wurde 1921 in Eckernförde als Einzelkind geboren. In der Familie wurde schon immer musiziert. 1948 kam ihr Mann aus russischer Gefangenschaft zurück, da war die gemeinsame Tochter schon fast vier Jahre alt. In der Zeit nach dem Krieg wurde viel gefeiert. Die Familie lebte inzwischen am Eichberg in einer tollen Gemeinschaft. 1982 starb ihr Mann, sie blieb allein. Bis vor wenigen Jahren hat sie ihre Mitbewohner in der Wohnanlage in Eckernförde mit dem Keyboard unterhalten. Helga Klüver hat zwei Töchter, fünf Enkel, acht Urenkel und ein Ururenkelkind.
Ingeborg Maria Erna Möller, genannt Inge, geborene Fabricius, ist 1923 in Stolp/Hinterpommern geboren. Heinz Karl Otto Möller, genannt Heinz, ist ebenfalls Jahrgang 1923. Die beiden sind seit 1945 verheiratet. Sie sind immer in Barth im Landkreis Vorpommern-Rügen geblieben, eine typische DDR-Familie. Von ihren vier Kindern sind die beiden Töchter bereits verstorben.
Anna Möschter lebte in Hamburg und wurde in Bildstock in Saarbrücken geboren. Sie ist nach den Dreharbeiten Anfang Dezember im Alter von 97 Jahren gestorben. Zuletzt gearbeitet hat sie bei der Post im Fernsehturm. Zwei Jahre nach ihrer Pension 1984 verstarb ihr Mann. Sie lernte, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, verbrachte sehr viel Zeit mit ihren Enkeln. Familie war für sie das wichtigste, und sie war es auch, was sie so gern leben ließ. Bis zuletzt ging sie gern auf die Reeperbahn, ins Schmidt Theater oder ins Operettenhaus.
Irmgard Rosenkranz wurde am 21. Juni 1922 in Marienfließ im heutigen Polen geboren - als Gans Edle Herrin zu Putlitz. Zum Kriegsende konnte sie auf der Flucht nur ihren Taufbecher retten. Später in der DDR arbeitete sie unter anderem als Landwirtschaftliche Berufsschullehrerin. Obwohl sie dem märkischen Uradel entstammt, sagt sie: "Eine feine Dame war ich nie!". Sie interessierte sich eher für Landwirtschaft und Viehzucht. Heute, in ihrem 100. Lebensjahr, lebt Irmgard Rosenkranz noch immer in Garvsmühlen bei Rerik. Und das im Kreis ihrer Familie mit vier Generationen unter einem Dach.
Hermine Trimde, geborene Vainowska, wurde am 14. Februar 1919 in Riga geboren. Gegen den Willen ihres Vaters machte sie eine Ausbildung zur Schauspielerin und bekam mit 19 Jahren ein Engagement an der Landesbühne vor Ort. Doch die Karriere endete, bevor sie so richtig begann. 1941 wurde sie von Lettland nach Deutschland umgesiedelt, lebt seit 1952 in Rostock. Alleinerziehend schlug sie sich mit sechs Kindern durch. Kurz vor ihrem 100. Geburtstag flog sie mit einem ihrer Söhne nach Riga, um noch einmal das Theater zu besuchen, in dem sie einst gespielt hat. Zu ihren Nachkommen gehören neben ihren sechs Kindern 11 Enkel, 23 Urenkel und 7 Ururenkel: "Wenn ich meine Augen schließe, hinterlasse ich eine Familie, die intakt ist."
Wilhelm Simonsohn wurde am 9. September 1919 in Hamburg-Altona geboren. Als er mit 15 Jahren in die Marine-Hitlerjugend kam, wurde er dort als "Judenlümmel" beschimpft. Erst da erfuhr er, dass seine Eltern nicht seine leiblichen Eltern sind. Und: dass sein Adoptiv-Vater jüdischer Abstammung ist. Er überlebte das Dritte Reich nicht. Wilhelm Simonsohn wurde Kampfpilot, über Belgien abgeschossen, überlebte aber Krieg und NS-Zeit. Bis vor zwei Jahren trat er noch regelmäßig als Zeitzeuge in Schulen auf und erzählte über sein wechselvolles Leben.
- In der Wochenserie von "Hallo Niedersachsen"
Ingeborg Illing/Salzgitter, 99
Familienmensch
(auch in "Jahrhundertleben" zu sehen, s.o.)
Johanna Friedrich/Hannover, 98
Abenteurerin
Johanna Friedrich ließ sich vom Reiseboom mitreißen. Vor allem der asiatische Teil der Welt fasziniert die gelernte Versicherungsangestellte - Thailand, Myanmar, Vietnam, China. Gemeinsam mit ihrem Mann ging sie auf Entdeckungsreise. Als ihr Mann mit 79 Jahren starb, verreiste sie alleine. Hauptsächlich nach Thailand. Ihre letzte Reise dorthin war 2019. Mit 96 Jahren war sie drei Monate in dem asiatischen Land unterwegs.
Gerhard Franke/Barsinghausen, 100
Ehemaliger Bergmann
Gerhard Franke hat 30 Jahre lang als Bergmann unter Tage gearbeitet. Eigentlich kein Job, um 100 zu werden. Er macht bis heute gern Sport, hat ein Fitnessgerat in seinem Zimmer und ist politisch interessiert. Er liest täglich die Zeitung von vorn bis hinten durch. Er lebt im Seniorenheim.
Irmgard Eiben/Wilhelmshaven, 96
Neustarterin
(auch in "Jahrhundertleben" zu sehen, s. o.)
Heinz-Günther Metzger/Ronnenberg-Benthe, 100
Journalist und Politiker
Langjähriger Journalist und Mitglied des Gründungsteams der HAZ. Außerdem ging Heinz-Günther Metzger in die Politik, zur CDU. Im Jahr 1972 kandidierte er sogar für den Posten des Oberbürgermeisters. Doch er verlor damals gegen den 28-jährigen SPD-Jungpolitiker Herbert Schmalstieg.
Margot Gründler/Harpstedt, 98
Gustloff-Überlebende
Die zentrale Geschichte im Leben von Margot Gründler ist das Überleben des Untergangs der Wilhelm Gustloff im Januar 1945. Schwanger und mit zwei Kleinkindern versuchte sie, auf dem Schiff über die Ostsee in den Westen zu flüchten, als es von einem russischen U-Boot torpediert wurde. Sie verlor zunächst beide Kinder, fand eines später wieder - und suchte lange nach dem anderen. Bis heute hat sie die Hoffnung, dass es überlebt hat, nicht ganz aufgegeben. Aus ihrem Überleben sind viele neue Leben entstanden - sie hat heute 6 Kinder, 9 Enkel und 16 Urenkel.
Elfriede Hackmann, Icker (bei Osnabrück), 98
Große Schwester
Elfriede Hackmann ist mit sechs Schwestern aufgewachsen. Vier von ihnen leben noch - drei von ihnen sind über 90, die vierte 84. Die Schwestern haben ihr Leben lang zusammengehalten. Bis heute verbindet sie ein inniges Gruppengefühl und ein regelmäßiger Austausch.
Start des Online-Dossiers ndr.de/jahrhundertleben und der Wochenserie in "Hallo Niedersachsen": Montag, 13. Dezember; zweiteilige NDR Dokumentation "Jahrhundertleben": ab Donnerstag, 16. Dezember, in der ARD Mediathek
Auch das "Nordmagazin" in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt sich mit den Erlebnissen Hundertjähriger. Nach der Ausstrahlung eines Trailers meldeten sich dort weitere Seniorinnen und Senioren, deren Geschichten in einer Wochenserie ab dem 3. Januar 2022 zu sehen sind.
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