Exklusiv: KSK-Soldaten geben erstmals Einblick in Afghanistan-Evakuierung
Hamburg (ots)
Erstmals seit der Eroberung der afghanischen Hauptstadt Kabul durch die Taliban geben Bundeswehrsoldaten des Kommando Spezialkräfte (KSK) detailliert Einblick in die bislang größte Evakuierungsmission der Bundeswehr im Ausland. Tausende Menschen hatten im August 2021 das Flugfeld des Flughafens in Kabul erstürmt, um einen Platz in einem Flugzeug gen Westen zu erhalten. Gegenüber Reporter*innen von NDR und WDR schildern die Soldaten, wie an den Zugangstoren des Flughafens Kabul "von Tag zu Tag eine schlimmere Art des Rechts des Stärkeren" herrschte.
Dabei, so berichtet einer der Soldaten, hätten sie "miterlebt, was Menschen bereit sind, für ihre Flucht zu tun und wie barbarisch Menschen miteinander umgehen können." Davon bleibe "eine gewisse seelische Narbe", so der Kommando-Soldat.
"Die Taliban waren 20 Jahre lang unser militärischer Gegner in Afghanistan. Wir haben gegen sie gekämpft. Wir haben sie gejagt. Sie haben uns angegriffen. Und plötzlich erobern sie in einem Blitzfeldzug Provinz um Provinz. Sie nehmen das ganze Land in ihre Kontrolle und erobern schließlich auch die Hauptstadt", bilanziert ein Oberstleutnant des Kommando Spezialkräfte für das NDR Magazin "Panorama 3". Diesem ehemaligen Feind nun täglich gegenüber zu stehen, sei ein "surreales Gefühl" gewesen.
Ein Bundeswehrsanitäter, der am Flughafen Kabul Verwundete versorgte, angeschossene Menschen begleitete und Kinder betreute, schildert, wie die Bundeswehr im Umgang mit Leichen improvisieren musste: "Was mache ich mit so einem Toten in der Situation? Sie müssen sich vorstellen, da stehen Kinder dabei und gucken zu. Was macht man mit denen - da legt man eine Rettungsdecke drüber und stellt sie in den Schatten".
Auch der für die Evakuierungsmission verantwortliche Kommandeur Jens Arlt zieht gegenüber Reporter*innen von NDR und WDR Bilanz: "Aus meiner Sicht ist es ganz wichtig, dass man diese 20 Jahre einmal nutzt, um sie sauber zu analysieren", sagt der Brigadegeneral, der für seinen Einsatz mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden ist. "Ich glaube, dass wir aus diesen 20 Jahren unglaublich viel lernen können."
Ein Rechercheteam von NDR und WDR hat die letzten Tage am Flughafen Kabul rekonstruiert und dazu neben Bundeswehrsoldaten auch Diplomaten, Ortskräfte, Vertreter der Taliban und hochrangigen Politiker der gestürzten afghanischen Regierung befragt. Die Befragten schildern die letzten Stunden im Palast, als der damalige afghanische Präsident Ashraf Ghani aus Angst vor den Taliban von dort fluchtartig das Land verließ. Auch der deutsche Bürger, der am Flughafen Kabul angeschossen wurde, kommt in den Ergebnissen der Recherche zu Wort. Er lebt heute allein in Deutschland. Seine Familie befindet sich noch in Afghanistan. Sie konnte bislang nicht nach Deutschland ausreisen.
Anfang Juli soll im Deutschen Bundestag die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses sowie einer Enquete-Kommission zur Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes beschlossen werden. Zehn Monate nach der dramatischen Rückeroberung der afghanischen Hauptstadt Kabul durch die Taliban beginnt damit auch in Deutschland die politische Aufarbeitung.
Die Ergebnisse ihrer Recherchen veröffentlichen NDR und WDR als crossmediales Angebot. Das NDR Fernsehen zeigt eine Sonderausgabe von "Panorama3": "Einsatz in Afghanistan - Die letzten Tage von Kabul" am 28. Juni um 21.15 Uhr.
Der "Weltspiegel" im Ersten geht am 3. Juli um 18.30 Uhr der Frage nach, wie es dazu kam, dass die afghanische Armee nicht kämpfte, sondern die Waffen streckte. Das WDR Fernsehen zeigt die 45-Minuten-Dokumentation "Die Story: Der Fall von Kabul - Chronik eines Desasters" am 3. August um 22.15 Uhr. Die Dokumentation wird auch in der ARD Mediathek zu sehen sein. Ab Anfang August gibt es den Podcast "Der Fall von Kabul" in der ARD Audiothek - als zweite Staffel der NDR Info Podcastserie "Killed in Action" und im Sonntagsprogramm von NDR Info.
Berichterstattung über das Thema ab Dienstag 28. Juni, u.a. in "Panorama 3"
Pressekontakt:
Norddeutscher Rundfunk
Unternehmenskommunikation
Presse und Kommunikation
Tel.: 040/4156-2300
Mail: presse@ndr.de
Original-Content von: NDR Norddeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell