Panorama: Amerikanische Gefängnischefs im Irak waren bereits an Misshandlungen und Todesfällen in US-Gefängnissen beteiligt
Hamburg (ots)
Die US-Regierung hat offenbar die Folter und die Misshandlungen im Abu Ghraib-Gefängnis bei Bagdad stärker gefördert als bislang zugegeben. Wie Recherchen des NDR Politmagazins Panorama ergaben (Sendung: Donnerstag, 2. September, 21.45 Uhr im Ersten), waren mindestens fünf Männer, die das US-Justizministerium mit dem Aufbau des Gefängnissystems im Irak beauftragte, zuvor in den USA in Fälle von Gefangenenmisshandlungen verwickelt gewesen. In mindestens zwei Fällen hatte es auch entsprechende Urteile von Zivilgerichten gegeben. Die Regierung entsandte die Männer nach Bagdad, obwohl den zuständigen Behörden die Vorwürfe bekannt waren. Teilweise hatten staatliche Stellen selbst die Misshandlungsvorwürfe erhoben.
Zu den vorbelasteten Mitarbeitern gehört Lane McCotter. Bis 1997 war er Leiter aller Gefängnisse des US-Bundesstaats Utah. Diesen Posten musste er abgeben, nachdem ein Insasse gestorben war. Ein Video, das Panorama am 2. September ausstrahlen wird, zeigt, wie sich dieser völlig verstörte Insasse nackt ausziehen musste. Danach wurde er an einen sogenannten restraint chair gefesselt, eine Art Disziplinarstuhl, um Gefangene gefügig zu machen. Nach 16 Stunden war der Gefangene tot.
McCotter wechselte anschließend zu der privaten Gefängnisfirma MTC, war auch für das Santa Fe County Jail verantwortlich. Im März 2003 kritisierte das Justizministerium scharf den dortigen Umgang mit Gefangenen und monierte Menschenrechtsverletzungen. Dennoch entsandte dasselbe Justizministerium Lane McCotter wenige Wochen später in den Irak.
Dort war McCotter Chef für den Aufbau des gesamten irakischen Gefängnissystems und damit auch für Abu Ghraib zuständig.
Bislang gibt es noch keine Beweise, dass McCotter direkt oder indirekt an den bekannten Foltervorfällen von Abu Ghraib beteiligt war. Es gibt aber Vorwürfe, dass er gemeinsam mit anderen geholfen habe, ein Klima für Misshandlungen zu schaffen.
Das amerikanische Justizministerium verteidigt McCotters Entsendung. Er genieße einen hervorragenden Ruf in der Gefängnisindustrie. Er sei hauptsächlich damit beschäftigt gewesen, geeignete Orte für Gefängnisse zu finden.
General Janis Karpinski, die in der Rangordnung unter McCotter stand, sagte gegenüber Panorama: Die Zustände in den Zellen waren unhaltbar, aber McCotter fand sie akzeptabel. Dabei stank es nach Urin, Müll und Dreck. Es gab keine Betten, keine Toiletten und keine Elektrizität.
Ein weiteres Video, das Panorama am Donnerstagabend ausstrahlen wird, zeigt Übergriffe in einem Gefängnis von Connecticut. Dort kam ebenfalls ein Gefangener ums Leben, nachdem er von einer ganzen Gruppe von Wärtern ruhiggestellt worden war. Verantwortlich für dieses Gefängnis war John Armstrong, der nach den Übergriffen im Februar 2003 seinen Job verlor. Dennoch wurde er kurz darauf zum stellvertretenden Leiter des gesamten irakischen Gefängnissystems berufen. Kritik gibt es dafür gegenüber Panorama von der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union, ACLU. Die Praktiken dieser Leute , so die ACLU-Mitarbeiterin Kara Gotsch, hätten nicht in den Irak exportiert werden dürfen. Das ist ein Skandal.
Dass Misshandlungen von Gefangenen in den USA eine lange Tradition haben, zeigt ein Trainingsvideo für US-Gefängniswärter, in dem Hunde auf Gefangene gehetzt wurden, sich Insassen nackt ausziehen und auf dem Boden kriechen mussten. Die Bilder, die Panorama ebenfalls zeigt, erinnern stark an die Folterbilder von Abu Ghraib. Die Wärter sollten so lernen, wie mit Gefangenen umzuspringen sei. Es entstand 1996 in Texas. Der politisch Verantwortliche damals: Gouverneur George W. Bush.
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2. September 2004
ots-Originaltext: NDR Norddeutscher Rundfunk
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