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NDR Info exklusiv: Hilferuf von Bundeswehr-Offizieren an die Sanitätsführung

Hamburg (ots)

Im Sanitätsdienst der Bundeswehr mehren sich
Beschwerden über die zunehmende Anzahl an Auslandseinsätzen. Eine 
Stabsärztin vom Bundeswehrkrankenhaus Hamburg sprach im Interview mit
NDR Info von einer unzureichenden Ausbildung der meisten 
Notfallmediziner im Einsatz. Die 35-Jährige berichtet von einer 
Kollegin, die 2004 als Notfallmedizinerin in den Afghanistan-Einsatz 
musste, obwohl sie als angehende Hautärztin dafür gar nicht die 
nötige Ausbildung gehabt habe. Die Kollegin habe in dem Einsatz zwei 
schwerverletzte zivile Patienten künstlich beatmen wollen, was ihr 
aber nicht gelungen sei. Mindestens einer der Afghanen sei gestorben.
Nach Angaben der Stabsärztin hatte die überwiegende Mehrheit "der 
Kollegen, die in Afghanistan waren und entsprechende Stellen besetzen
mussten, keine notfallmedizinische Ausbildung". Vorgesetzten wirft 
sie in diesem Zusammenhang vor, keine Skrupel zu haben und ihre 
Fürsorgepflicht zu verletzen.
NDR Info liegt darüber hinaus ein Schreiben vor, das 15 
Abteilungsleiter des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz 
unterzeichnet haben. Darin kritisieren sie Missstände im 
Sanitätsdienst der Bundeswehr sowohl bei Einsätzen im Ausland als 
auch im Inland. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: "Die aktiven 
Sanitätssoldaten erleben die immer größer werdenden Probleme aus 
reduzierter Ausbildungskapazität im Inland, kurzen 
Vorbereitungsphasen und personellen und strukturellen Defiziten. Dies
steht im Widerspruch zu den Leitsätzen des Sanitätsdienstes und der 
Verantwortung gegenüber unseren Soldaten, die auf eine gute 
medizinische Versorgung auch im Ausland vertrauen wollen und müssen."
Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Bernhard 
Gertz, hat gegenüber NDR Info zahlreiche Beispiele für Missstände im 
Sanitätsbereich der Truppe dokumentiert. Als Hauptgrund sieht auch 
Gertz die zunehmende Belastung durch immer mehr Auslandseinsätze. 
Seiner Ansicht nach hat allerdings auch die Bundeswehrreform vor 
sechs Jahren die Lage dramatisch verschlechtert. Seitdem seien zu 
viele Ärzte in den Stäben verschwunden, die bei Einsätzen und für die
Patienten fehlten. "Im Ergebnis muss das korrigiert werden", so 
Gertz. "Es liegt sehr nahe, dass das eine Vergeudung von Ressourcen 
darstellt."
Nach der Berichterstattung von NDR Info über die offensichtlichen 
Missstände im Sanitätsdienst der Bundeswehr hat sich inzwischen auch 
der Verteidigungsausschuss des Bundestages der Sache angenommen. In 
einer der nächsten Sitzungen sollen der Wehrbeauftragte des 
Bundestages und der zuständige Staatssekretär im 
Verteidigungsministerium ausführliche Berichte dazu abgeben. Das 
Verteidigungsministerium hat nach eigenen Angaben eine Überprüfung 
der jüngsten Vorwürfe eingeleitet.
Zitate frei bei Nennung NDR Info. Rückfragen beantwortet Stefan 
Nobel, Reporter-Pool NDR Info, Telefon: 040/4156-3923.
20. Oktober 2006/RC
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