Öko-Markt mit Chancen und Risiken
DBV-Forum zur Zukunft des Ökolandbaus
Berlin (ots)
Der Öko-Markt für Lebensmittel steht vor großen Herausforderungen. In den vergangenen Jahren stieg die Bio-Landwirtschaft in Deutschland zwar um über 50 Prozent, so dass derzeit mehr als 4 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet werden. Doch Konsumzurückhaltung, Preiskampf im Lebensmitteleinzelhandel auch bei Bioprodukten sowie die gesetzlich noch unzureichend geklärte Grüne Gentechnik setzen den Markt erheblich unter Angebots- und Preisdruck. Dies erklärte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, anlässlich des DBV-Perspektivforums zur Zukunft des Ökolandbaus in Deutschland.
Trotz der Wachstumsraten in den vergangenen Jahren sei man zwar noch weit von der politischen Vorgabe von 20 Prozent Ökoproduktion entfernt, doch hätte sie ihren Platz im Lebensmittelhandel gefunden. "Die Nische wurde verlassen, die Zukunft ist aber ungewiss", erklärte Sonnleitner. Denn das schnelle Wachstum in zweistelligen Größenordnungen führe auch zu Marktverwerfungen, besonders wenn das höhere Angebot nur teilweise auf wachsender Verbrauchernachfrage beruhe, aber auch auf staatlicher Förderung der Erzeugung. Gleichzeitig habe das Bio-Siegel den deutschen Markt für ausländische Bioerzeugnisse geöffnet. Damit erlebe der Ökomarkt derzeit, welche Probleme es mit sich bringe, wenn der Staat zu sehr in funktionierende Märkte eingreife. Auch der augenblickliche gesellschaftliche "Geiz-ist-geil-Kult" mit seinem ruinösen Preiskampf im Lebensmittelhandel mache dem Öko-Landbau zu schaffen, was natürlich auch im Zusammenhang mit der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage stehe.
Als Beispiel nannte Sonnleitner den Bio-Milchmarkt. Im Jahr 2002 mussten allein 16 Prozent der deutschen Bio-Milcherzeugnisse zu konventionellen Preisen vermarktet werden. Damit seien die Bio- Milchbauern derzeit einem erheblichen Preisdruck ausgesetzt, wie sie ihn bisher noch nicht erlebt hätten. Die Verzweiflung sei so groß, dass Bio-Milchbauern von zwei bedeutenden Molkereien im September sogar in einen Lieferstreik getreten seien, um ihren Forderungen nach kostendeckenden Preisen Nachdruck zu verleihen.
Der Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels müssten auf der Seite der Anbieter gleichwertige Partner gegenüberstehen, um sowohl im Bio- als auch im konventionellen Bereich stabilere Preise für die Bauern zu sichern. Sonnleitner forderte die Bundesregierung auch auf, bei der Überarbeitung der EU-Ökoverordnung sich stärker zu engagieren und Durchsetzungsfähigkeit zu beweisen. Die Wettbewerbsnachteile, die die deutschen Ökobetriebe dadurch erleiden, dass in anderen Ländern die Betriebsteilung möglich sei und die Verwendung konventioneller Wirtschaftsdünger laxer gehandhabt werde, sei einfach unerträglich. Denn für den Verbraucher seien die so erzeugten Produkte nicht besonders gekennzeichnet und würden auf dem deutschen Markt einheimische Ware verdrängen.
Die Zukunft des Öko-Landbaus werde in Deutschland zudem von einigen wichtigen Entwicklungen abhängen. Es gelte, die Koexistenz zwischen Produktionssystemen mit und ohne Einsatz von Grüner Gentechnik sicherzustellen. Nur damit könne man die Wahlfreiheit für Landwirte und Verbraucher erhalten. Voraussetzungen dafür seien die Umsetzung der Kennzeichnungsvorschriften von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln sowie der Schwellenwerte. Für den DBV mit seinem Fachausschuss für ökologischen Landbau sei klar, dass diese Schwellenwerte auch für Ökoerzeugnisse gelten, erklärte Sonnleitner. Die Schwellenwerte für Saatgut müssten jedoch deutlich niedriger als die für Lebens- und Futtermittel liegen, damit diese auch bei möglicher Anreicherung und Beimengung im Produktionsprozess sicher einzuhalten sind. Daher seien die Schwellenwerte für Saatgut auf wissenschaftlicher Basis und kulturartenspezifisch festzulegen. Die von Nichtregierungsorganisationen vorgeschlagene Nachweisgrenze erfülle diese Voraussetzungen nicht, der von der EU-Kommission vorgeschlagene Grenzwert von 0,3 Prozent dagegen schon eher, stellte Sonnleitner klar.
Der DBV-Präsident schlug vor, wegen der bisher ungeklärten Koexistenz das Moratorium für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen aufrecht zu erhalten, solange Bundesregierung wie EU- Kommission keine verbindlichen gesetzlichen Regelungen für den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und die damit verbundenen Haftungsfragen für Vermarktungsschäden bei Verunreinigungen erlassen hätten. Die Bauern in Deutschland hätten kein Verständnis dafür, dass die Bundesregierung in dieser für den Ökolandbau und für den Frieden auf den Dörfern zentralen Frage weiterhin tatenlos zusehe, was in Brüssel geschehe. In der Frage der Koexistenz bei Grüner Gentechnik werde die Bundesregierung keinesfalls aus der Verantwortung entlassen werden.
Sonnleitner unterstützte die Schaffung von gesonderten Regionen, in denen gentechnisch veränderte Pflanzen nicht angebaut werden, sofern die Landwirte sich auf freiwilliger Basis dazu entschließen würden. Die Bedingungen dafür jedoch müssten gesetzlich festgeschrieben werden. Auch müssten Bauern, die aufgrund unvermeidbarer Verunreinigungen in konventionellen wie Ökoerzeugnissen Vermarktungsverluste erlitten, entschädigt werden. Dafür sei das Für und Wider einer Fondslösung zu diskutieren, schlug der DBV-Präsident vor.
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