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Sind Betriebsrenten bald obligatorisch? Pressebericht zur 6. Handelsblatt Jahrestagung “Betriebliche Altersversorgung“ vom 07.03.3005 bis 09.03.2005 in Berlin

Düsseldorf (ots)

Berlin, 8.03.2005. Staatssekretär Volker Halsch
(Bundesministerium der Finanzen, BMF) zog auf der 6. Handelsblatt
Jahrestagung „Betriebliche Altersversorgung“, die vom 7. bis 9. März
im Berlin stattgefunden hat, eine positive Bilanz zu den
Reformanstrengungen der Bundesregierung zur Rentenreform. Mit dem
Altersvermögensgesetz und dem Alterseinkünftegesetz sei es gelungen,
das umlagefinanzierte Rentensystem um die private Absicherung zu
ergänzen und deutliche Anreize zu setzen. In den letzten 20 Jahren
seien die Ausgaben für die sozialen Sicherungssysteme explodiert und
darum sei eine Konsolidierung des Bundeshaushaltes ohne diese
Reformen nicht möglich. Halsch betonte vor den 280 Teilnehmern die
dramatische Rückführung von Subventionen in den letzten Jahren und
räumte ein, dass die Subventionen nur einen kleinen Teil der
Staatsausgaben ausmachen würden. Zwar müssten auch weiterhin
Finanzhilfen gestrichen werden, viel wesentlicher sei es aber, die
Kosten für die sozialen Sicherungssysteme weiter zu senken: „An der
Konsolidierung der Haushalte geht kein Weg vorbei“, stellte der
Staatssekretär fest. Das Ziel, die Beiträge zumindest stabil zu
halten, sei durch die Reformanstrengungen erreicht worden. Die
kapitalgedeckte Rentenversicherung sei als weitere Säule deutlich
aufgebaut worden. Dies zeige auch die Renaissance, die zurzeit die
betriebliche Altersversorgung (bAV) erleben würde.
Die Anstrengungen der Bundesregierung nannte der Wirtschaftsweise
Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup (Technische Universität Darmstadt)
bemerkenswert. Die Reformanstrengungen der Bundesrepublik würden im
Ausland viel positiver eingeordnet als in Deutschland selbst und als
eine intelligente Vorlage angesehen. In der Rentenpolitik sei ein
doppelter Paradigmenwechsel gelungen. Die Ausrichtung der Rente an
Leistungsziele sei durch Beitragsziele ersetzt worden. Durch die
Riester-Treppe und den Nachhaltigkeitsfaktor sei es gelungen, die
Renten zu dämpfen und bis 2010 könne es auch nicht zu
Rentenerhöhungen kommen. „Die Nullrunde im letzten Jahr war nicht die
letzte und es wird auch in den nächsten zwei Jahren keine
Rentenerhöhungen geben“, stellte Rürup weiter fest. Die Absenkung des
Rentenniveaus sei konsequent und die gesetzliche Rente konsolidiere
sich durch die eingeleiteten Schritte. Allerdings stelle die
gesetzliche Rente in Zukunft nur noch eine Basisversorgung dar, die
zwingend durch kapitalgedeckte Vorsorgeanstrengungen ergänzt werden
müsse, um eine Lebensstandardsicherung zu gewährleisten. Eine
Erhöhung des Rentenalters führe dagegen nach Ansicht des
Wirtschaftsweisen nicht zu einer weiteren Konsolidierung des
Rentensystems. Längere Arbeitszeiten erhöhten vielmehr wieder die
Rentenleistungen.
Durch das Altersvermögensgesetz und das Alterseinkünftegesetz sei
die kapitalgedeckte Sicherung gestärkt worden, führte Rürup weiter
aus. In Zukunft würden nur noch 60 Prozent der Alterseinkommen durch
die gesetzliche Rente abgedeckt werden und 40 Prozent durch private
Vorsorge. Damit ändere sich stark das Mischungsverhältnis von heute
85 Prozent gesetzlicher Rente und 15 Prozent (6 Prozent bAV-Anteil; 9
Prozent Privatvorsorge) kapitalgedeckter Vorsorge. Rürup
prognostizierte weiter, dass in Zukunft besonders der Anteil in der
bAV weiter anwachsen werde. Bis März 2003 hatten bereits 15 Millionen
Arbeitnehmer eine Betriebsrente vereinbart. Demnach verfügten schon
57 Prozent der versicherungspflichtigen Beschäftigten über Ansprüche
aus den Betriebsrenten, davon 43 Prozent in der Privatwirtschaft.
648.000 Firmen hätten bereits ein Zusatzversorgungssystem installiert
und allein 300.000 Unternehmen hätten im Zeitraum von Januar 2002 und
März 2003 eine bAV aufgebaut. Trotz der großen Anstrengungen, die in
den Unternehmen im Bereich der bAV geleistet werden, erwartet der
Wirtschaftweise eine Diskussion um ein Obligatorium der
Betriebsrenten. Die Freiwilligkeit der bAV in den Betrieben würde
sich letztendlich daran entscheiden, wie groß die Verbreitung bei den
Geringverdienern in Zukunft aussehen werde. Rürup selbst hat noch
keine eindeutige Meinung zu einem Obligatorium in der bAV, da die
Freiwilligkeit ein marktwirtschaftliches Gebot sei.
Einen deutlichen Fehlanreiz für den weiteren Ausbau der bAV machte
der Wirtschaftweise in der vorgesehenen Verbeitragung der
Entgeltumwandlungsverträge ab 2009 fest. Hier läge eine doppelte
Verbeitragung vor, die der weiteren nötigen Entwicklung der bAV
entgegenstehe. Rürup betonte hier die Notwendigkeit, das Gesetz
entsprechend nachzubessern. Zu nachgelagerten Besteuerung der
Alterseinkünfte stellte Rürup fest, dass durch den Umstieg die Mittel
in den Haushalten freigesetzt würden, die zum Kapitalaufbau benutzt
werden könnten. Da die Rendite in der privaten Vorsorge attraktiver
sei als in der gesetzlichen Rente, erziele man mit der nachgelagerten
Besteuerung eine Renditesteigerung über den ganzen Lebenszyklus
hinweg.
Zur Diskussion stellte Rürup die Frage, inwieweit fünf
Durchführungswege in der bAV notwendig seien. Die drei externen
Durchführungswege (Direktversicherung, Pensionskassen und
Pensionsfonds) seien alle mehr oder weniger versicherungsmäßig
organisiert. Dies verunsichere die Verbraucher: „Vielfalt ist gut,
aber man sollte sich auch nach dem Sinn fragen“.
Der Vorstand der Heubeck AG, Prof. Dr. Klaus Heubeck, stellte die
Auswirkungen der Überalterung in der bAV vor. Er regte an, die
steigende Lebenserwartung auch in den Produkten zu manifestieren. Ein
höheres Renteneinstiegsalter und das Älterwerden der Gesellschaft sei
in der kapitalgedeckten Finanzierung der bAV verhältnismäßig einfach
zu kompensieren. Selbst eine extreme Verlängerung der Lebenserwartung
(alle werden 100 oder älter) sei im System der bAV durch einen
geringen Mehrzins von 0,5 Prozent zu finanzieren. Dies sei eine
machbare Größenordnung. Hier erkannte Heubeck eine deutliche Stärke
der bAV, denn dieses System könne sehr schnell und flexibel auf neue
Faktoren reagieren.
Bestehende steuerliche Zweifelsfragen in Folge des
Alterseinkommensgesetzes und des Altersvermögensgesetztes zeigte
Christine Harder-Buschner (BMF) auf. Strittig seien vor allem Fragen
der Vererblichkeit, die Abgrenzung von Altzusagen und Neuzusagen, die
Anwendung von Übergangsregelungen sowie Mitteilungspflichten im
Bereich der bAV. Mit Blick auf die zukünftigen Entwicklungen bei den
Betriebsrenten verwies Harder-Buschner weiter auf den Ausgang der
Revision gegen das Urteil des Finanzgerichtes München vom 29.10.2004,
auf die grenzüberschreitende bAV mit der Umsetzung der europäischen
Pensionsfondsrichtlinie sowie auf die Portabilität und die
steuerliche Behandlung der verschiedenen Formen der
Insolvenzsicherung.
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Förster (Dr. Dr. Heissmann GmbH) ging aus
arbeitsrechtlicher Sicht auf die steigende Bedeutung der bAV ein.
Durch das Betriebsrentengesetz seien bereits Hindernisse abgebaut und
vor allem die Portabilität von Ansprüchen verbessert worden.
Besonders der Auskunftsanspruch eröffne neue Perspektiven: „Der
Arbeitnehmer soll die Möglichkeit haben zu wissen, wie hoch seine
Ansprüche sind und die Höhe des Übertragungswertes“. Weiteren
Handlungsbedarf erkannte Förster in der Überprüfung und Anpassung von
Abfindungsregelungen, in den Regelungen der Portabilität sowie in der
Erfüllung von Auskunftspflichten.
Trotz der Komplexität der steuerlichen und rechtlichen
Rahmenbedingungen in der privaten Altersversorgung zeigte Prof. Dr.
Reinold Höfer (Höfer Vorsorge Management), dass die Rentabilität für
den Arbeitnehmer anhand des Erlebenswertes durchaus berechnet werden
könne. So ergibt sich nach § 3 Nr. 63 EStG (Lohnfreiheit, „Eichel-
Förderung“) für einen verheirateten Durchschnittsverdiener (30.000
Euro Brutto-Einkommen) eine Nettorendite von 5,13 Prozent, mit der
Rürup-Förderung nach § 10 EStG (Sonderabgabenabzug) 4,94 Prozent, mit
dem so genannten Riester-Vertrag 4,86 Prozent. Für einen ledigen
Durchschnittverdiener dagegen ergeben sich nach der Eichel-Förderung
4,46 Prozent, nach der Rürup-Förderung 4,4l Prozent und mit der
Riester-Förderung 4,02 Prozent Nettorendite.
Aus Sicht eines Unternehmens erörterte Bernhard Wiesner (Robert
Bosch GmbH) die Neuregelung in der betrieblichen Altersversorgung.
Als einen entscheidenden Vorteil für die Arbeitnehmer und die
Arbeitgeber nannte Wiesner die kollektive und kostengünstige
Organisation der bAV in den Betrieben. Mit dem Altersvermögensgesetz
sei allerdings eine systematische Individualisierung beziehungsweise
Dekollektivierung in die bAV eingeführt worden. Mit dem Trend zur
Individualisierung seien die steuerlichen Rahmenbedingungen eher
schlechter geworden. Das Alterseinkünftegesetz habe zwar viele
positive Effekte für die bAV gebracht, aber die vielen
Durchführungswege hätten die Durchsetzung von Vorsorge-Systemen nicht
erleichtert. Seiner Einschätzung nach sind Direktzusagen in
Verbindung mit Pensionsrückstellungen eine Erfolgsstory für alle
Beteiligten, da hier die kollektiven Lösungen zum Nutzen von
Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgeschöpft werden könnten.
Die bAV sollte nach Ansicht von Wiesner vor allem durch die
Betriebe selbst vorangetrieben werden. Die Rahmenbedingungen dazu
seien allerdings schlechter geworden. Ein Obligatorium in der bAV
beurteilte er als kontraproduktiv, nicht zuletzt, da die bAV von der
Abstimmung in den Betrieben lebe.
Der Vorstand der Gothaer Lebensversicherung AG, Dr. Helmut
Hofmeier, ging ebenfalls auf die zunehmende Komplexität in der
betrieblichen Zusatzversorgung ein und stellte die Herausforderungen
für die Versicherer dar. Deutlich sei der Wettbewerb in der bAV
gestärkt und die Angebote der Produktanbieter ausgeweitet worden. Der
Anteil der bAV am Geschäft der Lebensversicherer sei deutlich durch
die Flankierungen der Rentenreform gestiegen. Die Vertriebseffizienz
und -intelligenz sei wegen der Komplexität des Themas zu einem
entscheidenden Erfolgsfaktor geworden. Wie schon Prof. Rürup fragte
auch er nach dem Sinn von fünf Durchführungswegen. Ohne die
Komplexität in den Durchführungswegen habe die bAV seiner
Einschätzung nach das Potenzial zu einem Kernträger in der privaten
Versorgung zu werden. Deutlich sprach sich Hofmeier gegen ein
Obligatoruim zur weiteren Marktdurchdringung aus. Entscheidend für
den weiteren Erfolg sei eine Vereinfachung der Durchführungswege.
Inwieweit die EU-Pensionsrichtlinie den Markt für bAV-Produkte
europaweit gewährleisten kann und welchen aufsichtsrechtlichen
Kriterien die Unternehmen für eine Ausweitung ihrer Märkte in Europa
erfüllen müssen, erläuterte Reinhard Laars von der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht.
Die abschließende Podiumsdiskussion beschäftigte sich mit der
Frage, inwieweit die bAV eine ersetzende Funktion zur
Lebensstandardsicherung im Alter erfüllen könnte. Alle Referenten des
Tages zeigten sich einig, dass mit der bAV wichtige Weichenstellung
für eine ergänzende Alterssicherung gestellt sei. Eine ersetzende
Funktion könne sie aber nicht haben. Die private Vorsorge sei über
die gesetzliche und die betriebliche Vorsorge hinaus unverzichtbar.
Pressefotos der Veranstaltung finden Sie im Internet unter:
www.bav05-fotos.de.vu
Handelsblatt Veranstaltung
c/o EUROFORUM Deutschland Gmbh
Dr. Nadja Thomas
Pressereferentin
Tel.: 0211-9686-3387
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