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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Elterngeld

Bielefeld (ots)

In seinem Standardwerk »Die Arbeit tun die
anderen« meinte Helmut Schelsky trocken: Wer lehrt, herrscht. Heute 
würde er vielleicht noch hinzufügen: Wer redet, herrscht auch.
Das gilt insbesondere in der Familienpolitik. Die gängige Lehre 
verkündete die zuständige Ministerin mit dem Satz: Das Elterngeld 
entwickele sich zum Renner. Und wenn man es nur oft genug sagt, dann 
glauben es die Leute auch.
Ursula von der Leyen beruft sich auf Zahlen. 200000 Anträge auf 
Elterngeld seien bewilligt worden. Statistiken allerdings sind 
vielfach interpretierbar. Mehr als die Hälfte, nämlich 108000 Mütter 
und Väter bekommen nur den Sockelbetrag von 300 Euro. Sie gehören zu 
den Niedrigverdienern. Vor dem Elterngeld bekamen sie dieses Geld 
auch, aber nicht 12 Monate, sondern 18.
Für mehr als die Hälfte der Bezieher ist das Elterngeld also kein 
Renner. Eher für den Staat, er spart kräftig an den Armen. Der 
Höchstbetrag von 1800 Euro wurde übrigens nur 43 mal bewilligt.
 Das Elterngeld werde zu einem Babyboom führen, verkündete die 
Ministerin noch 2006. Sie ist mittlerweile vorsichtiger geworden und 
bezeichnet es als einen Erfolg, wenn die Geburtenzahl stabilisiert 
werde. Das ist bei 200000 Anträgen kaum zu erwarten. Auch der von 
manchen Gelegenheitsdemographen ausgerufene Babyboom wegen ein paar 
hundert Babys mehr im ersten Quartal 2007 ist sehr verfrüht. Wenn 
Deutschland in diesem Jahr die 674000-Geburten-Marke aus dem 
vergangenen Jahr noch hält, darf man froh sein.
Das Elterngeld hätte vielleicht auch etwas bewirkt - die Idee ist im 
Prinzip ja richtig -, wenn diese Große Koalition die Eltern nicht so 
brutal geschröpft hätte. Die Streichung der Eigenheimzulage, die 
Kürzung des Kindergeldes um zwei Jahre, die rabiate Kürzung der 
Pendlerpauschale und die Erhöhung der Mehrwertsteuer kosten die 
Familien in Deutschland mehr als zehn Milliarden Euro. Da kommt das 
Elterngeld mit seinen kalkulierten 1,5 Milliarden recht bescheiden 
daher.
Aber die Ministerin hat ja auch nicht die Elternschaft im Allgemeinen
im Sinn, sondern das doppelverdienende Akademikerpaar. Das soll 
Kinder bekommen, weil man davon ausgeht, dass dessen Kinder in einem 
sozio-kulturellen Umfeld aufwachsen, aus dem dann gute Arbeitnehmer 
mit prächtigen sozialpflichtigen Jobs hervorgehen. Für diese Paare 
sollte das Elterngeld ein Anreiz sein.
 Aber die Furcht vor einem Karriereknick ist wohl doch größer, sonst 
gäbe es weit mehr Anträge über dem Sockelbetrag von 300 Euro. Und ob 
die Kinder aus diesem Umfeld wirklich besser geraten, das ist noch 
eine ganz andere Frage. Das Geld mag ein Zeugungsfaktor sein, für die
Erziehung bedarf es weit mehr, nämlich Zeit und Liebe.
Dafür sind die Rahmenbedingungen aber denkbar schlecht. Deshalb ist 
das Elterngeld kein Renner, sondern bestenfalls ein Mitläufer. Auch 
wenn man viel darüber redet.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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