Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Krippenplätze
Bielefeld (ots)
Wenn Politik, nicht selten ideologiegetrieben, erst einmal so richtig Fahrt aufnimmt, schießen oft nicht nur Stilblüten im schönsten Verlautbarungsdeutsch ins Kraut. Und gelegentlich neigt Politik trotzig zum »Durchregieren«. Die Losung »Jetzt wird durchregiert!«, man erinnert sich, gab im Hochgefühl-Zenit der eigenen Macht der SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder mehrmals aus. Vermutlich also dürfte wohl we- der die schwarz-rote Koalition im ganzen noch CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen einer bemerkenswerten Nachricht aus England sonderliche Beachtung schenken. Dort nämlich bleiben inzwischen bereits sage und schreibe 165 000 aller 725 000 Krippenbetreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren unbesetzt. Tendenz weiter steigend, weil sich offenbar immer mehr junge Mütter dafür entscheiden, ihre Sprösslinge zumindest in den allerersten Lebensjahren daheim selbst zu umsorgen - natürlich unter der wesentlichen Voraussetzung, dass ihre familiäre Situation ihnen dies ermöglicht und vor allem auch die finanzielle Basis zureichend ist. Nun wird das Planziel hierzulande sogar noch höher als in Eng- land gesteckt. Bis 2013 soll die Zahl der Krippenbetreuungsplätze auf 750 000 verdreifacht werden. Weder aber wird bisher plausibel gesagt, woher in so kurzer Zeit eigentlich das zwingend erforderliche, gründlich ausgebildete und zusätzliche Fachpersonal kommen soll, noch macht sich die Po- litik Gedanken darüber, was passieren müsste, wenn sich auch bei uns viele junge Mütter im Blick auf ihre Kinder neu besinnen würden - und der Bedarf für Krippenplätze plötzlich, wie in England, erheblich unter die Planzahlen-Marke sinken würde. Schließlich sind auf diesem Feld enorme (Steuer-)Gelder im Spiel, die - schon gar auf Dauer, ja wohl nicht für die »Bestands- pflege« solcher empfindlich teuren Angebotsüberhänge vergeudet werden dürften. Die überraschenden Entwicklungen in England, sprich: im Empfinden und praktischen Handeln junger Mütter dort, sind ein Zeichen der Zeit. Als exotischer Sonderfall ist das nicht abzutun. Und schon gar nicht gehört es sich, mündige Bürger mit Minister-Antworten aus der Phrasendreschmaschine abzuspeisen. Wie etwa die Berlinerin Milena Sunnus, eine junge Mutter, die von der vormaligen SPD-Familienministerin Renate Schmidt eine Auskunft zur Kürzung des Erziehungsgeldes erbeten hatte und stattdessen den folgenden belehrenden Hinweis erhielt: »Wer sich für Kinder entscheidet, nimmt eine hohes Maß an Verantwortung auf sich ... Es ob- liegt in erster Linie den Eltern, ihren Kindern ein Leben in einem wirtschaftlich abgesicherten, sozial förderlichen und fürsorglichen Umfeld zu bieten ... Staatliche Leistungen können nur unterstützenden Charakter haben ... Das Erziehungsgeld kann nicht ausschlaggebend sein bei der Entscheidung für oder gegen ein Kind...« Ach! seufzt Loriot in solchen Fällen.
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