Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Ende der Ära Stoiber
Bielefeld (ots)
Das Schlupfloch für einen Rücktritt vom Rücktritt hat Edmund Stoiber in den vergangenen Monaten nicht mehr gefunden, nicht finden können, weil die CSU dies nicht zugelassen hätte. An diesem Freitag und Samstag nun wird das Finale einer überaus erfolgreichen politischen Karriere eingeläutet. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es seine Partei war, die Stoiber die Gefolgschaft gekündigt hat und vor allem in letzter Zeit seine Schwächen nicht nur die Kabarettisten im Lande inspirierten, sondern auch genüsslich in der Öffentlichkeit breitgetreten wurden. Das wird seinen Verdiensten für Bayern bei allen rethorischen Ausrutschern aber nicht gerecht. Seit 1993 stand Stoiber an der Spitze der bayerischen Regierung, seit 1999 auch an der Spitze der Partei. In diesen 14 Jahren hat es Stoiber geschafft, dass Bayern heute bei Wirtschaft, Arbeitsplätzen, Bildung und Lebensstandard zur Spitze der 16 Bundesländer gehört. Und zudem hat der »erste Manager dieses großartigen Landes«, wie er sich gern selbst bezeichnete, etwas erreicht, wovon sogar sein großes Vorbild Franz Josef Strauß nur träumen konnte: eine Zweidrittelmehrheit im bayerischen Landtag. Mit einer großen Inszenierung, bei der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht fehlen darf, nimmt Stoiber nun morgen, an seinem 66. Geburtstag, Abschied von seinen Ämtern. Es wird nicht an wohlwollenden Worten fehlen, die sein Lebenswerk würdigen. Doch das Denkmal, das an den scheidenden Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden erinnern wird, hat er sich vorsichtshalber selbst errichtet - der Transrapid zwischen Münchner Hauptbahnhof und Flughafen soll gebaut werden. Und wenn er schon nicht weitermachen kann, so hat er, ein typischer Stoiber-Schachzug, seinen Nachfolgern noch das Zukunftsprogramm »Bayern 2000« aufs Auge gedrückt. So schnell werden Günther Beckstein und Co. die Weichen der Stoiberschen Politik in Bayern nicht umstellen können. Wer Stoiber kennt, weiß, dass dies bei allem Schmerz, den der »Kreuther Königsmord« vom Januar bei ihm hinterlassen hat, für ihn auch eine große Genugtuung sein wird. So schnell werden seine Nachfolger also nicht aus seinem Schatten springen können. Dennoch steht die CSU unbestreitbar vor einem großen Umbruch. Erstmals in ihrer Geschichte können die Delegierten beim Parteivorsitz zwischen drei Kandidaten wählen und erstmals seit acht Jahren wird die Macht im Land wieder aufgeteilt. Das vorübergehende Chaos in der Partei und der Machtkampf um den CSU-Vorsitz, der noch nicht entschieden ist, auch wenn Erwin Huber am Samstag als haushoher Favorit in das Rennen geht, haben der Partei aber nur für kurze Zeit geschadet. In Umfragen stellen sich weit mehr als 50 Prozent der Wähler weiterhin auf die Seite der CSU. Das ist ein gutes Pfund für die neue Führungsriege. Doch auch eine schwere Hypothek, die schnell verspielt sein kann.
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