Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Rückkehr von Benazir Bhutto
Pakistan
Bielefeld (ots)
500000, eine oder zwei Millionen? So genau weiß niemand, wie viele Menschen gestern Benazir Bhutto in Karatchi begrüßten. Die Rückkunft in dem Land, das sie schon zweimal als Ministerpräsidentin leitete, war groß inszeniert. 10000 Sicherheitskräfte standen bereit, die Chefin einer lange verbotenen Partei zu schützen - und nicht, um sie wieder zurückzuschicken. »Ich weiß, dass ich ein Symbol bin für das, was die sogenannten Heiligen Krieger von Taliban und Al Kaida am meisten fürchten«, schrieb Bhutto demonstrativ furchtlos ins Vorwort ihrer gerade passend erschienenen Autobiografie »Tochter des Ostens«. Die janusköpfige Harvard- und Oxford-Studentin trägt stets weite, pyjamaartige Anzüge Ihren Kopf bedeckt sie mit einem Schal. Die Rückkehr in die politische Wirklichkeit Pakistans ist etwas anderes als die von London und Dubai aus betriebene dritte Amtszeit. Viele Unwägbarkeiten warten auf sie. Die früheren Regierungschefs Mujibur Rahman und auch Bhuttos Vater starben am Strang. Letzteren hatte General Zia ul-Haq 1977 vom Präsidentenstuhl gestürzt. Auf den Straßen des zerrissenen und in Teilen unregierbaren Landes muss die mutige Frau heute gleichfalls um ihr Leben fürchten. Nur schwer ist ihre wahre Absicht zu erkennen, Bhuttos politischer Ruf ist nicht frei von Skandalen. Korruptionsvorwürfe gegen ihren Mann sind nicht vergessen. Asif Ali Zardari handelte sich als Vermittler von Staatsaufträgen in den 1990ern den Spitznamen »Mr. 10 Prozent« ein. Die Regierungschefin wurde 1999 unter großer Zustimmung der öffentlichen Meinung aus dem Land gejagt. Jetzt also wieder Kämpferin für Modernität und Bildung. »Ich bin eine politische Führerin, die dafür kämpft, Kommunikation, Bildung und Technologie nach Pakistan zu bringen«, behauptet sie und hat die Parlamentswahlen im Januar fest im Blick. Die wichtigste juristische Entscheidung bis dahin betrifft die Wiederwahl von Pervez Musharraf am 6. Oktober durch das Parlament. Das Verfassungsgericht in Islamabad vertagte sich gestern vorsichtshalber erst einmal in der Frage, ob der Präsident, der zugleich Armeechef ist, bei der Abstimmung kandidieren durfte. Vieles sieht nach einem Deal zwischen Bhutto und Musharraf aus - gebilligt von den USA. Einziges Ziel: die kaum zu bändigenden Islamisten in Schach halten und sich selbst die Macht sichern. Musharraf könnte am Ende Präsident und Bhutto Premierministerin sein. Der Handel ist so brüchig wie der Frieden im Land. Können zwei bislang verfeindete Lager Hand in Hand arbeiten, um gegen den wachsenden Islamismus bestehen zu können? Nur mit Sozialprogrammen und Armenspeisungen hatte Bhutto seinerzeit ihre Macht unterfüttern können. Mag sein, dass das Land der krassen Unterschiede zwischen Arm und Reich jetzt wieder vor einer Phase bescheidener Sozialpolitik steht - wenigstens etwas Gutes für die Masse der Pakistani ganz unten.
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