Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Winograd-Bericht
Bielefeld (ots)
Die Winograd-Kommission, die der israelischen Armee und der politischen Führung schwere Fehler während des Libanon-Kriegs im Sommer 2006 bescheinigt, hat durch eine entscheidende Formulierung dem Premierminister Ehud Olmert das politische Überleben ermöglicht. Die schlecht vorbereitete abschließende Bodenoffensive, die 33 Soldaten das Leben kostete, sei »fast unvermeidbar« gewesen, heißt es in dem Abschlussbericht. Folgerichtig forderte die Kommission unter Leitung des früheren Richters Eliahu Winograd auch keine personellen Konsequenzen aus dem Libanon-Debakel, das das Vertrauen der Israelis in die Stärke der Armee nachhaltig erschütterte. Wegen dieser fehlgeschlagenen Offensive hatten jedoch Olmerts Gegner seit Monaten dessen Rücktritt gefordert. Mit diesem Bericht hatte die Kommission Olmert auch nicht den Weg verbaut, weiter mit dem Palästinenser-Präsidenten Mahmud Abbas über einen Frieden zu verhandeln. So fühlte sich Olmert nach der Veröffentlichung auch von einem Kainsmal befreit. Nach tagelangem Zögern entschied sich gestern auch Verteidungsminister Ehud Barak mit seiner Arbeitspartei für einen Verbleib in der Koalition und vollzog damit einer Kehrtwende um 180 Grad. Barak, der sich bereits vor Monaten festgelegt hatte, nach Erscheinen des Winograd-Berichts mit seiner Partei die Koalition zu verlassen, hat damit viele seiner Anhänger vor den Kopf gestoßen. Aber er hat mit dieser richtigen Entscheidung die politische Handlungsfähigkeit der Regierung zu Beginn der Friedensverhandlungen mit den Palästinensern erhalten. Damit hat er der Chance auf Frieden vor einem Rücktritt als Konsequenz aus den Fehlern des Libanon-Krieges den Vorzug gegeben. Das Ende der Koalition wäre auch das Ende aller Friedensbemühungen im Nahen Osten gewesen, für die US-Präsident George W. Bush sich zum Ende seiner Amtszeit so vehement einsetzt. Ein Auseinanderbrechen der Koalition und Neuwahlen hätten nur Oppositionsführer Benjamin Netanjahu in die Hände gespielt. Er punktet in der Bevölkerung derzeit mit dem Argument, dass Olmert mit seiner Politik gegenüber den palästinensischen Extremisten die Sicherheit der Israelis nicht garantieren könne. Den eingeleiteten Friedensprozess lehnt er ab. Ein Sieg Netanjahus bei Neuwahlen wäre keine Überraschung, auch wenn sich die US-Regierung als Israels Schutzmacht demonstrativ gegen ihn gestellt hat. Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas haben es zumindest geschafft, dass Jerusalem und Ramallah wieder miteinander über Frieden reden. Auf diesem Weg fortzuschreiten - bei allen Schwierigkeiten, die sich auftürmen - ist für Israelis und Palästinenser wichtiger, als durch personelle Konsequenzen aus Fehlern der Vergangenheit eine friedensbereite israelische Regierung scheitern zu lassen. Das hat Barak eingesehen und die für das Überleben eines jüdischen Staates entscheidenden Verhandlungen nicht aufs Spiel gesetzt.
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