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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Bahn-Tarifeinigung

Bielefeld (ots)

Es ist höchste Eisenbahn, dass die
Unterschriften unter dem Tarifvertrag der Bahn endlich trocknen. Für 
einen neuen Lokführerstreik hätte wohl niemand mehr Verständnis 
gehabt. Und viele fragen sich immer noch: Kann man dem Frieden an der
Bahnsteigkante wirklich schon trauen?
Es ist lange her, dass ein Tarifkonflikt in Deutschland mit so viel 
Kampf und Krampf geführt wurde wie der Streit bei der Deutschen Bahn 
AG. Tatsächlich ging es um viel. Wann immer irgendwo eine Gruppe in 
einem festgefügten System eine Sonderrolle beansprucht, besteht die 
Gefahr, dass andere sich ebenfalls benachteiligt fühlen und mit 
eigenen Forderungen nachlegen.
Richtig scharf geworden ist der Streit trotzdem erst durch die 
Tricksereien und Juristereien des Bahnvorstands. Letztlich sind 
sowohl die Scheinangebote, bei denen Mehrbelastungen noch als 
Lohnerhöhungen verkauft werden sollten, als auch die Versuche, 
Streiks gerichtlich zu verbieten, gescheitert. Das Gleiche gilt für 
Versuche Hartmut Mehdorns, getroffene Vereinbarungen nachträglich zu 
verändern. Für die falschen Signalstellungen sollten die Eigentümer 
ihm nachträglich noch das Gehalt kürzen.
Das wird vermutlich nicht geschehen. Dafür kann sich Mehdorns 
Widerpart, Manfred Schell, jetzt als der Sieger des Tarifstreits 
sehen. Angetreten ist er in der Rolle des Davids, der dem Goliath 
alsbald das Fürchten lehrte. Dabei richtete sich seine Waffe zu 
großen Teilen gegen die Bevölkerung. Man hätten vermuten können, dass
die Bahnkundschaft den Lokomotivführern einheizt, damit sie von ihrer
Sonderrolle absehen. Doch das Gegenteil trat ein. Hier wurde mancher 
Frust, der sich aus langer Lohnzurückhaltung, den 
Steuerhinterziehungen der Reichen und vor allem den zigfachen 
Millionengehältern sowie noch höheren Abfindungen für Manager ergibt,
auf den Gleiskörpern der Bahn abgeladen.
Die Gewerkschaftsbewegung wird aufpassen müssen, dass sie sich nicht 
zersplittert. Dass Verdi den Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst 
derzeit gemeinsam mit Beamtenbund, Polizeigewerkschaft und anderen 
kleineren Arbeitnehmervertretungen führt, zeigt, dass der Weg in die 
Atomisierung nicht zwangsläufig oder unumkehrbar ist. Und dass Schell
schon jetzt für 2009 »ganz normale« Tarifverhandlungen ankündigt, 
beweist: Sogar der GDL-Chef ist sich bewusst, dass er den Bogen nicht
überspannen darf.
Trotzdem haben die Tarifauseinandersetzungen der Jahre 2007 und 2008 
schon jetzt mittelfristige Weichen gestellt. Die Versuche vor allem 
auf Seiten der Metallarbeitgeber, neue, sich am 
Produktivitätsfortschritt und Unternehmensgewinn orientierende 
Methoden der Lohnfindung auszuprobieren, stehen bis auf Weiteres auf 
dem Abstellgleis.
Statt die Zahl der Streiktage angesichts der Schäden für Betriebe und
Volkswirtschaft zu reduzieren, wird sie jetzt durch die Sucht, schon 
bei so genannten Warnstreiks die ganze Gewerkschaftsmacht zu 
demonstrieren, nur noch weiter verlängert.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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