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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Berlusconi

Bielefeld (ots)

Die Italiener geben Silvio Berlusconi die Chance
zu einer dritten Amtszeit als Ministerpräsident. Einem Mann, der in 
der Vergangenheit ungeniert private und öffentliche Interessen 
vermischt hat, rechtskräftig verurteilt ist und sich noch immer mit 
Anklagen wegen Steuerhinterziehung und Bestechung herumschlagen muss.
Schwer vorstellbar, dass ein solcher Politiker in Deutschland 
Bundeskanzler werden könnte. Die Berlusconi-Anhänger sehen das 
offenbar anders. Berlusconi hat es zum Milliardär gebracht. Dass er 
dabei Gesetze gebrochen und Regeln verletzt hat, scheint für sie kein
Problem zu sein. Nach dem Motto, ein bisschen Steuerhinterziehung 
muss schon sein, wenn man es im Leben zu etwas bringen will, 
verzeihen sie ihm seine Fehltritte. Berlusconi vermittelt vielen 
Italienern mit Erfolg das Gefühl, nicht der Bürger, der Regeln 
verletzt, ist das Problem, sondern der Staat, der die einengenden 
Regeln setzt. Anders ist der überraschend klare Sieg von Berlusconis 
Mitte-Rechts-Koalition kaum zu erklären.
Walter Veltroni, der neue Chef des Mitte-Links-Bündnisses, wurde von 
den Wählern abgestraft für das Scheitern seines Vorgängers Romano 
Prodi, dessen bunte Neun-Parteien-Koalition bereits nach knapp zwei 
Jahren handlungsunfähig aufgeben musste. Es nutzte Veltroni nichts, 
dass er die Kleinstparteien vom linken Rand, die Prodi die Mehrheit 
kosteten, erst gar nicht mehr in sein Bündnis aufnahm. Der Name Prodi
steht in den Augen der Italiener für die Vermehrung der Probleme 
Italiens, nicht für ihre Lösung. Von dieser Hypothek konnte sich 
Veltroni nicht befreien.
Positiv zu bewerten ist, dass nach diesem Wahlgang das politische 
System Italiens stabiler geworden ist. Es stehen sich jetzt zwei 
berechenbare Blöcke gegenüber, nachdem mehrere kleine Parteien den 
Sprung ins Parlament nicht mehr geschafft haben.
So hätte die 62. italienische Nachkriegsregierung unter Silvio 
Berlusconi die Chance, die Probleme des Landes während seiner 
fünfjährigen Amtszeit anzugehen. Allerdings hat die Vergangenheit 
gezeigt, dass seinen Versprechungen kaum Taten folgten.
Das Müllproblem Neapels, das Berlusconi jetzt schnellstens lösen 
will, ist eigentlich nur ein Nebenkriegsschauplatz. Weitaus 
schwerwiegender ist die Tatsache, dass Italien mit einem 
prognostizierten Wirtschaftswachstum von lediglich 0,3 Prozent in 
Europa weit hinten liegt und die Produktivität der Industrie auf der 
Rangliste der 30 größten Industrienationen mittlerweile auf den 
letzten Platz abgerutscht ist.
Berlusconi hat bereits angekündigt, dass er die Wirtschaft 
liberalisieren will im Stil der früheren britischen Premierministerin
Margret Thatcher. Ob er den Einfluss der Gewerkschaften dabei in dem 
Maße zurückdrängen kann, wie es Thatcher gelungen ist, ist mehr als 
fraglich. Nirgendwo in Europa werden solche Auseinandersetzungen 
ideologiebehafteter ausgetragen als in dem beliebten Urlaubsland der 
Deutschen.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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