Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zum Rauchverbot in Gaststätten, das am 1. Juli in Nordrhein-Westfalen wirksam wird:
Bielefeld (ots)
Am Stammtisch herrscht dicke Luft. Die Teilnehmer der Kartenspielrunde nippen an ihren Biergläsern. Dazwischen verbreiten sie viel blauen Dunst. Kaum eine Hand, in der nicht eine Zigarette glimmt. Da geht die Tür auf. Ein neuer Gast? Nein. Es ist die Dame von der Raucherstreife, die nun bei dem Wirt oder seinen Gästen das Bußgeld für die Verstöße gegen das Nichtraucherschutzgesetz abkassiert . . . So weit wird es am 1. Juli nicht kommen. Noch nicht. Sowieso wird es keine speziellen Raucherstreifen geben. Der Gesetzgeber weiß, dass zu viel Eifer und zu große Eile dem Anliegen schaden würden. Für Nichtraucher bedeutet dies: Sie müssen ihr Recht auf Rauchfreiheit selbst durchsetzen, sei es, dass sie die Polizei anrufen oder - was schöner wäre - indem sie die Raucher ansprechen. Die Zahl der Nikotinabhängigen, bei der eine solche Bitte auf eine schroffe Ablehnung stoßen könnte, ist bereits sehr geschrumpft. Die Einrichtung von immer mehr raucherfreien Zonen bei Abdrängung in immer kleinere Raucherbereiche beispielsweise auf Bahnhöfen oder Flughäfen zeigt da ihre Wirkung. Trotz des Erfolgs stellt sich allerdings die grundsätzliche Frage, ob man Menschen zu ihrem Glück oder - in diesem Fall - zu einem gesünderen Leben zwingen darf. Die schönsten Dinge verkommen schließlich erst dann, wenn sie zur Sucht werden. Das Rauchverbot aber trifft den Genießer gleichermaßen wie den Abhängingen und Kranken. Die Befürworter des Nichtraucherschutzgesetzes sagen, freiwillige Appelle an die Gastwirte hätten nicht funktioniert. Das ist sogar zum größten Teil richtig. Aber muss man deshalb gleich das Kind mit dem Bade ausschütten oder, um im Bild des Rauchens zu bleiben, die Zigarette an ihrem Filter anzünden? Es wäre doch schon viel erreicht, wenn die Wirte verpflichtet wären, am Eingang zu ihrer Gaststätte deutlich darauf hinzuweisen, ob hier geraucht oder nicht geraucht wird. Zumindest würde eine solche Einschränkung der kleinen Kneipe an der nächsten Straßenecke vermutlich das Überleben ermöglichen. Dass es hier tatsächlich um die Existenz geht, zeigt eine Untersuchung in Hessen, wo schon seit dem 1. Oktober 2007 in allen Gaststätten ein Rauchverbot gilt. Von den Kneipen, die nur über einen Gastraum verfügen, meldet jede fünfte einen Umsatzrückgang von mehr als 50 Prozent. Wer eine solche Kneipe betritt, weiß, was ihn erwartet. Das Gleiche gilt für den, der hier arbeitet. Es wäre gut, wenn die Parlamentarier noch einmal ihre Köpfe rauchen ließen und die Einraum-Gaststätten aus dem Gesetz wieder herausnähmen. Das wäre ein gute Alternative zu den »Raucherclubs«. Diese schießen nun überall in den Städten aus dem Boden - fast so wie im Garten das kleinblättrige Knopfkraut, besser noch unter dem Namen »Franzosenkraut« bekannt. Es gibt auch ein Recht auf Geselligkeit. Sind aber die Nikotinschwaden erst verweht, kann es sein, dass der Stammtisch für immer verschwunden sein wird.
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