Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:
Bielefeld (ots)
Das rücksichtslose Vorgehen Russlands im Kaukasus trägt ganz eindeutig die Handschrift Wladimir Putins, auch wenn seit einigen Monaten im Kreml ein anderer das Sagen hat. Es ist viel spekuliert worden, ob mit Dmitri Medwedew in Moskau ein liberalerer Führungsstil Einzug hält. Die Antwort kennen wir seit diesen Augusttagen. Medwedew ist in die Fußstapfen Putins getreten. Ein Tauwetter in der politischen Eiszeit zwischen Europa, der Nato und Russland ist in weite Ferne gerückt. Im Kaukasus ist zwar nicht ein Wiederaufleben des Kalten Krieges eingeläutet worden, der die Welt über Jahrzehnte in Atem gehalten hat. Doch Russland hat sein in den 90er Jahren verloren gegangenes Selbstvertrauen wiedergefunden und schwelgt erneut in den Großmachtvorstellungen der alten Sowjetunion. Lange Jahre haben sich die Russen nicht ernst genommen gefühlt. Schon Putin hatte die Europäische Union scharf angegriffen und gegenüber der Nato die militärischen Muskeln spielen lassen. Und Medwedew steht da nun hinter seinem Lehrmeister nicht zurück. »Wir wollen, dass man uns respektiert, unseren Staat, unser Volk und unsere Werte.« Diese Worte von Medwedew machen deutlich, wie sehr sich die russische Seele verletzt gefühlt hat. Zu diesem neuen Selbstverständnis gehört auch das unverhältnismäßige Vorgehen in Georgien. Natürlich sind sich Medwedew und Putin bewusst, dass sie damit das Verhältnis zur EU und zur Nato auf eine neue, nicht ungefährliche Belastungsprobe stellen. Doch das haben sie einkalkuliert. Wichtiger ist der Moskauer Führung, dass sie nicht weiteren Einfluss verliert. Angesichts dieser Entwicklung kann man die Angst der baltischen Staaten verstehen, kann man Verständnis für Polen aufbringen, wenn es jetzt US-Abfangraketen im Land stationieren will. Doch ob es auch klug ist für die Sicherheit Europas , die Nato-Mitgliedschaft Georgiens voranzutreiben, muss sehr kritisch hinterfragt werden. Russlands Vorgehen im Kaukasus muss scharf verurteilt werden, Nato und EU können nicht so tun als sei nichts geschehen. Doch Isolation und Wirtschaftssanktionen wären der falsche Weg. Was also tun? Die Nato-Außenminister haben in dieser Woche gezeigt, dass die Möglichkeiten sehr beschränkt sind. Man hat die Treffen im Nato-Russland-Rat vorerst ausgesetzt. Das ist eher eine hilflose Geste, die Moskau wenig beeindruckt, wie Russlands gestrige Retourkutsche zeigt. Dieses Gremium war doch immer ein Forum, um den politischen Dialog in Gang zu halten. Der Nato-Russland-Rat ist die Plattform, auf der die Allianz ihre Positionen deutlich machen könnte. Und diesen Weg sollte sich das westliche Bündnis nicht verbauen. Russland und Europa brauchen einander, da sollten alle Möglichkeiten ergriffen werden, um die Konfrontation nicht weiter zu verschärfen. Zugegeben: Das ist eine Gratwanderung, aber ohne Alternative.
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