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Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zur Situation der SPD in Hessen:

Bielefeld (ots)

Die vier hessischen SPD-Landtagsabgeordneten
Dagmar Metzger, Carmen Everts, Silke Tesch und Jürgen Walter haben 
gestern ein Lehrstück politischer Kultur abgeliefert und ein 
Lehrstück politischer Unkultur abgewendet. Ihr Nein zur Bildung einer
rot-grünen Minderheitsregierung, die sich von der Linken tolerieren 
lässt, kam spät, aber nicht zu spät.
Vor allem Dagmar Metzger gebührt Respekt für ihr politisches 
Rückgrat. Über Monate hinweg hat sie unbeirrt und allein auf weiter 
Flur an ihrer Überzeugung »Nicht mit den Linken« festgehalten. Immer 
wieder betonte die 49-Jährige: »Für mich ist in erster Linie meine 
Glaubwürdigkeit entscheidend.« Gestern taten es ihr drei 
Fraktionskollegen gleich und folgten ihrem Gewissen. Argumente gibt 
es reichlich. An erster Stelle Andrea Ypsilantis Wortbruch, dann den 
wirtschaftsfernen Tenor des Koalitionsvertrags und die 
demokratiefeindlichen Tendenzen innerhalb der Linkspartei.
Den Zeitpunkt des Entschlusses konnte das Trio nur entschuldigen. 
Selbstkritisch gestanden Carmen Everts, Silke Tesch und Jürgen Walter
ein, dass sie sehr lange gebraucht hatten, die innere Stimme nicht 
nur zu hören, sondern ihr auch zu folgen. Alle drei hatten bis 
zuletzt den Eindruck vermittelt mitzumachen, wenn auch 
zähneknirschend. Es passt gut ins hessische Polittheater, dass so 
quasi ein Wortbruch einen Wortbruch korrigiert.
Doch niemand sollte Ursache und Wirkung verwechseln. Andrea Ypsilanti
ist die Letzte, der Entrüstung ob des gestrigen Geschehens zusteht. 
Schließlich hat sie für ein solches Rebellenstück erst den Boden 
bereitet. Nun ist sie schon zum zweiten Mal durchgefallen, ohne 
überhaupt einmal angetreten zu sein. Nicht wenige sehen darin die 
verdiente Quittung für einen politischen Egoismus ungeahnten 
Ausmaßes.
Um so befremdlicher wirken die Aussagen des SPD-Vorsitzenden Franz 
Müntefering. Schwer vorstellbar ist, dass die Parteispitze die 
Entscheidung tatsächlich mit einer »Mischung aus Betroffenheit und 
Empörung« aufgenommen hat. »Mit großer Freude und Erleichterung« 
hätte es wohl eher heißen müssen. Der alte neue SPD-Chef und der 
Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier haben doch nie einen Zweifel 
daran gelassen, dass sie den hessischen Weg für einen Irrweg halten. 
Sie hatten nur nie den Mut, daraus Konsequenzen zu ziehen und im 
Sinne Deutschlands und der SPD Führungsstärke zu beweisen. Jetzt die 
vier hessischen Abgeordneten an den Pranger zu stellen, ist ein Akt 
politischer Heuchelei.
Auf die hessische SPD kommen nun ganz harte Zeiten zu. Ob die 
»Abweichler« Parteiausschlussverfahren zu fürchten haben, spielt 
dabei noch die geringste Rolle. Der Landesverband ist zerrissen, und 
bald schon könnte es vorgezogene Neuwahlen geben.
Roland Koch hingegen hat gestern seine politische Wiedergeburt 
erlebt. Die Zeit des geschäftsführenden CDU-Ministerpräsidenten ist 
längst noch nicht abgelaufen, sie beginnt gerade erst.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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