Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Bahn
Bielefeld (ots)
Die Deutsche Bahn kommt bei der Bewältigung ihrer Probleme nicht mehr nach. Kaum ein Tag, an dem es keine neue Hiobsbotschaft gibt. Gravierende Sicherheitsmängel zählen ebenso dazu wie unfassbares Gebaren von Zugbegleitern gegenüber minderjährigen Fahrgästen. Letzteres ist noch auf Fehlleistungen Einzelner zurückzuführen. Die Sicherheitsmängel indessen haben da schon eine ganz andere Dimension. Sowohl die Schwierigkeiten mit den Achsen als auch die Verletzungsgefahr bei der Türschließautomatik in Elektrotriebzügen lassen Zweifel daran aufkommen, dass die Bahn alles für die Sicherheit ihrer Kunden tut. Nach dem Bericht über den ICE-Unfall im Mai dieses Jahres in einem Tunnel bei Fulda weichen diese Zweifel der erschreckenden Gewissheit, dass es bei der Bahn gravierende Sicherheitslücken gibt. Falsche Informationen für die Notfallmanager, schlechte Kommunikation und das Herunterspielen des tatsächlichen Ausmaßes des Unglücks zählen dazu. Das Regierungspräsidium Kassel, das den Zusammenstoß des ICE mit einer Schafherde untersuchte, nennt das Katastrophenmanagement der Bahn ein Desaster. Ungeheuerlich ist auch die Liste der Mängel im und am Tunnel. Rettungsstollen, die nicht von den Feuerwehren von außen zu öffnen sind oder fehlende Löschwasseranschlüsse an den Eingängen des Landrückentunnels gefährden im Ernstfall Menschenleben. Vor diesem Hintergrund grenzt es schon an Unverfrorenheit, wenn Bahnchef Hartmut Mehdorn tönt, die Tunnel seien sicher. Statt auf Sicherheit hat Mehdorn auf hohe Gewinne gesetzt. Alles für den Börsengang. Der ist zwar vorerst hintangestellt. Die Zahlen des Unternehmes aber sind dessen ungeachtet glänzend. Im ersten Halbjahr 2008 wurde ein Gewinn von 1,4 Milliarden Euro eingefahren, was einem Plus von 6,8 Prozent zum gleichen Zeitraum des Vorjahres entspricht. Nur ein paar Tausende Euro vernünftig in technische Ausstattung investiert, und der Unfall im Tunnel bei Fulda wäre zu vermeiden gewesen. So hätte ein Kamera-Überwachungssystem, wie man es von Straßentunneln kennt, rechtzeitig die Gefahr der Schafherde auf den Gleisen in der Röhre erkennen lassen. Eine entsprechende Warnung an den Lokführer wäre möglich gewesen. Das aber auch nur, wenn in der Leitstelle der Bahn Mitarbeiter sitzen, die schnell und richtig handeln. Auch hier hat der Unfallbericht eine Schwachstelle im System aufgedeckt. Ob das an dem zu wenig oder zu schlecht ausgebildeten Personal liegt, ist zweitrangig. Es muss alles getan werden, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten. Diese Zielsetzung hat die Bahn augenscheinlich nicht verfolgt. Jetzt droht ein Vertrauensverlust. Und das alles zehn Jahre nach dem verheerenden Unglück von Eschede, bei dem 101 Zugreisende ums Leben kamen, als ein ICE aufgrund eines gebrochenen Radreifens entgleiste und an einem Brückenpfeiler zerschellte. Hat Hartmut Mehdorn das bei seinem Streben nach guten Ergebnissen vergessen?
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