Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Konjunktur/EZB/Leitzins
Bielefeld (ots)
Die Auffassungen darüber, wie sehr die drohende Rezession Deutschland im nächsten Jahr ins Schlingern bringt, gehen auseinander. Die einen malen schwarz, sehen die Wirtschaft am Rand des Abgrundes und tausende Arbeitsplätze in Gefahr. Andere warnen, die Krise werde herbeigeredet. Wechselseitig würden sich die Diskussionen über düstere Konjunkturaussichten, die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe und die Konsumzurückhaltung verstärken. Es ist viel Psychologie im Spiel. Oder besser gesagt: Angst. Der berechtigte Hinweis, dass es gerade in Ostwestfalen-Lippe nach wie vor (noch) viele Unternehmen gibt, die zufrieden sind, auch wenn ihre Auftragsbücher dünner werden, verkennt indes den Ernst der Lage. OWL ist keine Insel, ebenso wenig kann sich Deutschland dem Sog der weltweit sinkenden Produktnachfrage entziehen. Die ökonomischen Verflechtungen sind ohnehin schon komplex genug. Die Finanzkrise hat das labile Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage vollends aus dem Lot gebracht. Eines der größten Probleme ist der Geldfluss, der die Wirtschaft wie Adern eines Blutkreislaufes am Leben hält. Wohl auch aus diesem Grund hat die Europäische Zentralbank gestern den Leitzins massiv gesenkt. Das Geld soll billiger werden, weil niedrige Zinsen Kredite für Firmen und Verbraucher verbilligen und die Wirtschaft anschieben können. Allerdings: Ein niedriger Leitzins allein kann das Problem nicht lösen, wenn sich die Banken weiterhin gegenseitig aus Sorge vor Verlust kein Geld leihen. Hinzu kommt, dass viele Kreditinstitute derzeit wegen ihrer zu geringen Eigenkapitalausstattung Probleme haben, neue Kreditmittel in größerem Umfang zur Verfügung zu stellen. Das führt zur Kreditklemme. Experten sehen seit Monaten eine nachlassende Dynamik im Kreditgeschäft. »Die Finanzierungsbedingungen für die Firmen in Deutschland sind im dritten Quartal noch einmal schwieriger geworden und eine weitere Verschärfung ist zu erwarten«, sagt der Chefvolkswirt der Förderbank KfW, Norbert Irsch. Spätestens zu Beginn des neuen Jahres werde die Wachstumsrate im Kreditneugeschäft sogar auf Null oder ins Negative fallen. Die Situation ist ernst, flankierende Maßnahmen der Bundesregierung zur Stabilisierung der Wirtschaft daher wichtig. Ob und, falls ja, wann das gestern auf den Weg gebrachte, aber noch nicht endgültig beschlossene milliardenschwere Konjunkturpaket greift, ist schwer vorherzusagen. Verbesserte Abschreibung für Unternehmen, Steuervorteile für Handwerkerleistungen, und die Aufstockung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms sind gleichwohl sinnvolle Maßnahmen. Der befristete Erlass der Kfz-Steuer greift dagegen viel zu kurz. So wird der Autokauf nicht angekurbelt. Nötig wäre eine schnelle Entscheidung über die künftige Regelung der Kfz-Steuer. Unsinn ist auch die Debatte über 500-Euro-Einkaufsgutscheine. Diese Geldspritze würde ein Strohfeuer entfachen, mehr nicht.
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