Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:
Bielefeld (ots)
Die Politik unterscheidet gern zwischen harten und weichen Themen, mancher Haudegen des Alltagsgeschäfts sogar zwischen Geld und Gedöns. Als die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948 verabschiedet wurde, war dies angesichts der Verwüstungen rundum aus der Sicht der Zeitgenossen nichts anderes als der fromme Wunsch weltferner Philanthropen. Heute nennt man solche Leute Gutmenschen, aber niemand kann ihr Anliegen noch mit leisem Spott als phantastische Träumerei abtun. Die Welt ist in 60 Jahren möglicherweise nicht ein Deut besser geworden, aber die Völkergemeinschaft hat sich eine moralische Richtschnur gegeben, unter der keine Regierung, kein Gewählter und auch kein Putschist irgendwo auf der Welt ungesehen durchschlüpfen könnte. Wenn es inzwischen so etwas wie ein Weltgewissen für gute oder schlechte Regierungsführung in den mehr als 200 Staaten dieser Erde gibt, dann ist es der Rechtsrahmen, den das Völkerrecht in der Zwischenzeit entwickelt hat. Die vor 60 Jahren verabschiedete Menschenrechtserklärung wird heute ergänzt um vielfältige internationale Selbstverpflichtungen von der Genfer Flüchtlingskonvention über Frauenrechte und Folterverbot bis zur Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords. Man kann die zwei Pakte, acht Konventionen und alle darauf aufbauenden weiteren Bestimmungen als Auflistung eines grandiosen Scheiterns lesen. Immer noch werden Menschen und ihre Rechte mit Füßen getreten, werden sie wegen ihre Rasse oder Religion diskriminiert und in Milliardenzahl um ihre politische Teilhabe gebracht. Aber zugleich sind die Leitsätze der vermeintlichen Gutmenschen ein schmerzender Stachel im Fleisch der Schlächter und eiskalten Zyniker der Macht. Ob Rebellenführer Laurent Nkunda im Ostkongo oder Chinas Staatschef Hu Jintao - ihnen nutzen weder blanke Stiefel noch olympische Inszenierungen, um das Blut an ihren Händen wirklich vergessen zu machen. Der Massenmord an Tutsis und gemäßigten Hutus 1994 in Ruanda ist bis heute nicht voll gesühnt, aber die jüngste Festnahme einer damals Mitverantwortlichen am Flughafen Frankfurt zeigt, dass die Welt nicht länger zu vergessen bereit ist. Auch ist die bis zum Ende der Blockteilung übliche vermeintliche Warnung vor der Einmischung in innere Angelegenheiten eines anderen Staates vollständig von der politischen Agenda gestrichen. Von Leonid Breschnew bis Erich Honecker konnte seinerzeit allen Ernstes verlangt werden, den Archipel Gulag oder die Todesschüsse an der Mauer schlicht auszuklammern. Das ist heute anders. Von den Tribunalen in Den Haag, über die Länderberichte von Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International bis zum Empfang für den Dalai Lama durch Regierende reicht das Spektrum der Selbstverständlichkeiten - eine schöne Bilanz zum 60.
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