Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu den Parlamentswahlen in Israel
Bielefeld (ots)
Zipi Livni, Vorsitzende der Kadima-Partei, hat gewonnen. Aber was heißt das in einem Land, in dem es nur Gewinner gibt? Auch Benjamin Netanjahu, Chef des Likud, betrachtet sich als Gewinner der Parlamentswahlen, und natürlich zeigt sich auch Avidor Liebermann, der Rechtsaußen, in Siegerpose. Der selbstgefällige Jubel ist nicht das Problem. Das Problem ist: Wer bildet nun eine Regierung? Und die Betonung liegt auf »nun«. Denn Israel kann es sich nicht leisten, monatelang Koalitionen zu bilden und dann doch Neuwahlen auszuschreiben. Wirtschaftlich steht das kleine Land am Abgrund. Die globale Krise schwappt auch hier hinein, und der jüngste Krieg hat Milliarden Dollar gekostet. Irgendwann und zwar in nicht allzu ferner Zukunft muss die Wirtschaft wieder anlaufen und den Markt bedienen. Schwieriger noch ist die politische Situation. Der nicht mehr ganz so neue amerikanische Präsident Barack Obama wird sich mit Forderungen an die neue Regierung wenden, er will Fortschritte sehen in Nahost und glaubt, diese am ehesten bei den Israelis erreichen zu können. Zum Beispiel in der Siedlerfrage - hier hat auch schon sein Vorgänger George W. Bush ziemlich gebohrt - oder in der Jerusalem-Frage. Beide Fragen sind gemäß den Programmen der Parteien durch das Votum der Wähler beantwortet: weder noch. Allenfalls bei Zipi Livni könnte Obama in der Siedlerfrage etwas erreichen. Aber sie hat keine Mehrheit und wird links von der Mitte auch keine zusammenstellen können. Das sind zunächst keine guten Aussichten für den Friedensprozess in Nahost. Ganz schwierig ist die iranische Frage. Sie liegt wie ein Schatten auf der Region. Alle israelischen Führer haben eine klare Meinung: Iran darf nicht über Atomwaffen verfügen. Alle halten das für eine Existenzfrage. Alle sind überzeugt, dass die Mullahs die Atombombe auch einsetzen würden. Und da Iran kurz vor dem Durchbruch steht - die Nachrichtendienste rechnen mit der Fertigstellung der ersten iranischen Atombombe noch in dieser Jahreshälfte -, müsste man sich eigentlich schnell zu einer Koalition zusammenraufen. Aber Israel ist auch das Land des Massada-Felsens, jenes Plateaus, wo die jüdischen Rebellen den Römern trotzten und sich lieber selber umbrachten als sich zu ergeben. Mit anderen Worten: Wenn keiner der zwei ersten Gewinner nachgibt, kann die Regierungsbildung zu einer wackeligen Koalition führen, die den sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht gewachsen ist. Auch das sind keine guten Aussichten, übrigens auch nicht für die Europäer. Denn hier hofft man insgeheim, dass Israel und Amerika am Ende doch die nuklearen Kastanien aus dem iranischen Feuer holen. Das Land steckt in der Sackgasse. Am besten wäre eine große Koalition mit einer alternativen Führung. Diese Lösung gab es schon mal in Israel, und das Land fuhr gut damit. Sie lässt genügend Freiraum für politische Überlegungen. Gehandelt wird in der Region schon genug.
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