Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Grundgesetz-Geburtstag
Bielefeld (ots)
Es war einmal ein schöner Frühlingstag im fernen Deutschland-Jahr 1949. Damals, am 23. Mai, punktgenau um Mitternacht, wurde unser rechtsstaatlich-demokratisch verfasstes Grundgesetz in Kraft gesetzt. Stolze sechs Jahrzehnte ist es dem Gemeinwesen und seinen Menschen nun schon verlässlicher Wegweiser im besten Sinne des Wortes und gibt ihnen existentielle Sicherheit. So kann und sollte es auch fortan bleiben - wozu freilich wir alle, ein jeder nach seinem Wollen und Wirken, immer aufs Neue beitragen müssen. In unruhigen und unbequemen Zeiten noch mehr als in solchen eines verführerisch sorglosen Wohllebens. Denn nichts wird uns ohne eigenes Zutun auf Dauer geschenkt. Eigentlich, ja, eigentlich müsste der 23. Mai 2009 also ein wahrhaftiger Jubiläumstag sein, heiter, herzerwärmend und besinnlich zugleich ausgestaltet. Doch leider rumort und knirscht es da und dort auch diesmal wieder - nicht eben untypisch - im Berliner Klein-klein-Getriebe. Dabei wäre Großmut das Gebot der Stunde. Sogar der weidlich partei- und regierungserfahrene Franz Müntefering eifersüchtelt, anstatt souverän den Staatsmann zu geben: Weil staatsprotokollgemäß Bundespräsident Horst Köhler, Kanzlerin Angela Merkel und Parlamentspräsident Norbert Lammert, allesamt Christdemokraten, die Auftaktreden zum 60. Grundgesetz-Geburtstag am 23. Mai zufallen, wittert der SPD-Vormann kleinmütig eine publikumswirksame »parteipolitische Veranstaltung« zugunsten der Union. Nicht zu wundern und künstlich zu erregen freilich brauchen sich die Verantwortlichen vor allem in Wolfgang Schäubles Innenministerium darüber, dass ihre absonderlich anlassferne »Event«-Idee für den großen Verfassungsfeiertag 2009 die Schlussplanungsphase nicht überlebte. Ein simpel kommerzieller, sogenannter »Boulevard der Marken« am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor, eine Produkt-Allerweltsschau, von Autos, Weinen und Sekt bis zu Kosmetika und Tortenbackmischungen: Es bleibt das Geheimnis der Urheber, sprich der hohen Berliner Ministerialbürokratie und der von ihr beauftragten Werbeagentur, weshalb sie allen Ernstes auf einen solchen putzigen Einfall kommen konnten. Die Verfasser unseres Grundgesetzes und Gründungsväter der Bundesrepublik Deutschland haben ganz gewiss eine Würdigung von anderem Rang verdient. Und in ihrem Gefolge desgleichen die zeitprägenden Präsidenten und Kanzler von Theodor Heuss, Walter Scheel, Richard von Weizsäcker, Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Willy Brandt und Helmut Kohl bis zu Gerhard Schröder. Nur gut daher, dass die läppische »Event«-Idee gerade noch gestoppt wurde. Der 23. Mai soll nun gottlob erkennbar bescheidener gefeiert und gewürdigt werden. Das wenn auch späte Einsehen im Berliner Regierungsbiotop schärft den Blick für 60 Jahre Friedensgeschichte - in der Hoffnung auf eine trotz aller Unwägbarkeiten möglichst beständige nahe und fernere Zukunft.
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