Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum anhaltenden konjunkturellen Abschwung:
Bielefeld (ots)
Allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz: Ein drittes Konjunkturpaket wird kommen. Spätestens im Sommer, wenn der anhaltende Abschwung mit voller Wucht auf den Arbeitsmarkt durchschlägt. Und nichts anderes werden die Wirtschaftsweisen heute in ihrem neuen Konjunkturgutachten vorhersagen - so, wie es der Internationale Währungsfonds bereits gestern getan hat. Mehr als vier Millionen Arbeitslose unmittelbar vor der Bundestagswahl: Union und SPD werden alles versuchen, um diese Entwicklung zu stoppen. Denn die Töne werden schriller. Schon orakelt DGB-Chef Michael Sommer von »sozialen Unruhen« in Deutschland, sollte es zu Massenentlassungen kommen, und fordert ein neues 100-Milliarden-Paket. Noch finden die Gewerkschaften nur bei der Linken Gehör. Doch das könnte sich bald ändern. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die noch zum Auftakt der Hannover-Messe leisen Optimismus verbreitet hatte, erschaudert vor den neuen Konjunkturprognosen: »Es zeigt sich, dass wir einen schweren Wirtschaftseinbruch haben.« Selbst wenn man die Zielgenauigkeit von Prognosen bezweifeln muss: Minus sechs Prozent sind ein Schlag ins Kontor. Auch Union und SPD, die gestern ein neues Konjunkturpaket noch einhellig abgelehnt haben, werden also Argumente für eine Stützung des Arbeitsmarktes finden. Allein mit einer Verlängerung der Kurzarbeiterregelung und einer Entlastung der Unternehmen bei den Kreditkosten und Sozialbeiträgen wird der Stellenabbau nicht zu stoppen sein. Neue Strohfeuer werden in der Hoffnung entzündet werden, dass ein Fünkchen auf die Wirtschaft überspringt. Die Asche wird in den kommenden Jahren aufzukehren sein. Denn immer deutlicher zeigt sich, dass die Wirtschaftskrise die Kassen des Staates und der sozialen Sicherungssysteme langfristig schwer in Mitleidenschaft ziehen wird. Jüngste Schätzungen gehen davon aus, dass Bund, Länder und Gemeinden bis zum Jahr 2012 etwa 200 Milliarden Euro weniger einnehmen werden als bisher erwartet. Wer da noch von Steuersenkungen spricht - ob mit einer 300-Euro-Prämie wie Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) oder mit einer großen Steuerreform, wie sie die Union anstrebt - ist ein Phantast. Schon im laufenden Jahr dürfte Deutschland Mühe haben, die europäische Defizitgrenze von 3,0 Prozent einzuhalten. Im kommenden Jahr könnte die Neuverschuldung sogar nahezu doppelt so hoch ausfallen. Allein in diesem Jahr zahlt der Bund mehr als 40 Milliarden Euro an Zinsen. Diese Belastung wird auf Jahre hinaus steigen - zum einen wegen des wachsenden Schuldenberges, zum anderen wegen der höheren Zinssätze, die sich unweigerlich mit einem Anspringen der Konjunktur einstellen werden. Die Finanzkraft des Staates ist somit auf Jahre hinaus geschwächt. Wann auch immer der nächste Aufschwung kommen mag: Seine Früchte sind schon heute verfrüh-stückt.
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