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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Europawahl

Bielefeld (ots)

Vorneweg lautet die gute Nachricht des
Europawahl-Ergebnisses: Teure Wahlgeschenke auf Steuerzahlerkosten 
zahlen sich nicht aus. Die deutschen Wähler haben offenbar doch ein 
gutes Gespür dafür, was an Staatshilfen sinnvoll und was stattdessen 
der Angst der Politiker vor Stimmverlusten geschuldet ist - ein 
besseres Gespür jedenfalls, als Frank-Walter Steinmeier und die 
SPD-Wahlstrategen vorher glaubten.
Für die Sozialdemokraten ist das gestrige Ergebnis ein Desaster. 2004
war eine Anti-Hartz-IV- und Anti-Schröder-Wahl. Jedermann erwartete, 
dass die SPD wenigstens ein bisschen zulegen kann. Nichts davon ist 
eingetroffen.
Das bürgerliche Lager hat dagegen sein gutes Ergebnis vom vorigen Mal
wiederholt. Die Verschiebung hin zur FDP ist - genau wie die 
eindrucksvolle Trendwende, die die CSU in Bayern schaffte - ebenfalls
als Ablehnung der Milliarden für Banken, Opel und Arcandor zu deuten.
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel kann in dieser Frage als Kanzlerin 
einer Großen Koalition noch nicht so frei agieren wie sie 
möglicherweise möchte. CSU-Parteichef Horst Seehofer allerdings 
erntet derzeit Früchte, die nicht er, sondern Jung-Star Karl-Theodor 
zu Guttenberg als Wirtschaftsminister in Berlin gesät hat.
Ein Sieger der Europawahl kommt mit großer Wahrscheinlichkeit aus 
Ostwestfalen: Die Chancen für den CDU-Bezirksvorsitzenden Elmar Brok,
nächster deutscher EU-Kommissar zu werden, sind mit dem gestrigen 
Ergebnis enorm gestiegen. Die SPD wird lange nach einem Argument 
suchen müssen, warum eine 20-Prozent-Partei erneut diesen wichtigen 
Posten in Brüssel besetzen soll. An der europapolitischen Kompetenz 
von Brok kann es ohnehin keine Zweifel geben.
Schade ist, dass Europa-Themen im Europa-Wahlkampf nur eine 
Nebenrolle spielten. Festmachen lässt sich dies unter anderem an der 
Landwirtschaftspolitik: Die Agrarausgaben stellen in der EU zwar den 
größten Haushaltsposten. Doch die Debatte, ob die Gelder auch richtig
ausgegeben werden, fiel im Wahlkampf glatt aus. So steht die 
Wahlbeteiligung im Gegensatz zur großen Zahl der Parteien, die den 
Stimmzettel so riesig lang werden ließ. Sie war erneut viel zu 
niedrig.
 Das zu ändern ist die vordringliche Aufgabe der Europa-Politiker. 
Sie wird leichter, wenn der Lissabon-Vertrag nach einem hoffentlich 
positiven Votum der Iren endlich in Kraft treten kann. Derzeit sind 
die EU-Parlamentarier noch zu sehr damit beschäftigt, ihre Rolle im 
politischen Mächtespiel hervorzuheben und zu verteidigen. Stattdessen
sollten sie an Sachthemen die unterschiedlichen Positionen der 
Parteien deutlich machen. Dann würde schnell deutlich, welche 
wichtigen Entscheidungen in Straßburg und Brüssel gefällt werden.
Alle, die nicht zur Wahl gegangen sind, sollen in den nächsten fünf 
Jahren jedes Mal, wenn sie sich wegen einer EU-Entscheidung die Haare
raufen, einen Knoten in ihr Taschentuch machen. Wetten, dass sie dann
beim nächsten Mal nicht erneut ihre Stimme verschenken?

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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