Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Rekordverschuldung:
Bielefeld (ots)
Bei diesen Zahlen kann einem schwindelig werden. Das Bundeskabinett hat gestern die Finanzplanung bis 2013 abgesegnet. Sie sieht neue Schulden im Umfang von 310 Milliarden Euro vor. Allein im nächsten Jahr tickt die Schuldenuhr erschreckend laut, wenn die Last um weitere 86,1 Milliarden Euro wächst. Deutschland mutet sich die größte Neuverschuldung in 60 Jahren Bundesrepublik zu und lädt auf den nachfolgenden Generationen eine schwere Hypothek ab. Gab es eine Alternative zu diesem traurigen Rekord? Nein. Die Weltwirtschaftskrise, in den USA ausgelöst, war in dieser Heftigkeit nicht vorherzusehen. Sie machte den ehrgeizigen Plan eines ausgeglichenen Bundeshaushaltes zunichte. Auf Jahre hin wird Deutschland weiter Kredite aufnehmen müssen. Die Bundesregierung handelte richtig, als sie der Krise entschlossen begegnete, Konjunkturprogramme auflegte und einen Rettungsschirm für schwer angeschlagene Banken aufspannte. Als alle nach Hilfe riefen, bewies der Staat seine Handlungsfähigkeit und setzte ein psychologisch immens wichtiges Signal. Wenn es um Energie geht, sind sich alle darüber einig, dass gespart werden muss. Weniger Sprit verbrauchen, den Ausstoß von Kohlendioxid senken, Glühbirnen durch Energiesparlampen ersetzen: Darüber herrscht Konsens. Schließlich gibt es nur eine Erde, und die gilt es zu schützen. In der Finanzpolitik ist das anders. Wer hier zu rigide spart, verschärft die Wirtschaftskrise nur noch, warnt Peter Bofinger, einer der fünf Wirtschaftsweisen, die regelmäßig der Bundesregierung Handlungsempfehlungen machen. Bofinger hat Recht: Gerade in einer Krise muss der Staat Geld locker machen, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu sichern, Rentenkürzungen zu vermeiden und die Kaufkraft der Bürger möglichst zu erhalten. Deshalb stellen die Abwrackprämie für mindestens neun Jahre alte Autos, die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate, die Rentengarantie bis 2012 und das Bürgerentlastungsgesetz richtige Entscheidungen der Großen Koalition dar, auch wenn das eine oder andere als Wahlgeschenk einzustufen ist. Ökonomen sprechen von Deficit spending. Ein Staat verschuldet sich, um die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zu verstärken und eine Rezession abzumildern. Springt die Konjunktur wirklich im nächsten Jahr spürbar an, muss die neue Bundesregierung umsteuern. Dann muss eiserne Spardisziplin einziehen, um die Schuldenbremse zu beherzigen, die den Bund von 2011 an verpflichtet, die Neuverschuldung zu reduzieren. Auf Steuersenkungen dürfen sich die Deutschen erst einmal nicht freuen, eher müssen sie sich auf höhere Belastungen einstellen. Zur Konsolidierung gibt es keine Alternative: Sonst würde sich die Politik an unseren Kindern versündigen und ihnen einen Schmalspurstaat mit nur geringen Entfaltungsmöglichkeiten aufbürden.
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