Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zu Schreiber
Bielefeld (ots)
Ob in acht Wochen Bundestagswahlen stattfinden oder nicht: Die Rückkehr des CDU-nahen Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber nach Deutschland kommt so ungelegen wie zu jedem anderen Zeitpunkt. Wichtig ist allein, dass der Mann mit den Bestechungsgeldern überhaupt noch vor ein deutsches Gericht gestellt wird. 1999 hat Schreiber die CDU in ihre schwerste Krise gestürzt. Seine Enthüllungen über illegale Spenden und schwarze Kassen haben der Union nicht nur die NRW-Landtagswahl 2000 vermasselt. Für viele brach damals mehr als das Bild von einer blitzsauberen, gut situierten Union zusammen. Der Vertrauensverlust in »die« Parteien hält bis heute an. Allerdings hat sich die Empörung in zehn Jahren auch ziemlich stark aufgebraucht. Schon damals ging es in der politischen Bewertung nicht darum, was Schreiber getan oder gelassen hat, sondern darum, dass Leute wie Walther Leisler Kiep, Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble überhaupt Umgang mit solch' windigen Strippenziehern pflegten. Zu gern wurde geglaubt, dass nicht nur Kiep, sondern auch andere Geldkoffer mit Barem anzunehmen bereit waren. Letzteres ist bis heute unbewiesen - und das könnte auch bei einem Prozess so bleiben. Gerade weil Karlheinz Schreiber das Spiel mit geheimnisvollen Andeutungen schon bis zum Exzess getrieben hat, dürfte jede künftige noch so abenteuerliche Behauptung auf eine gehörige Portion Skepsis stoßen. Wenn Schreiber wirklich in der Lage wäre, die deutsche Politik und Justiz zu erpressen, dann sollte er diese Karte längst gezogen haben. Hierzulande und nicht in Kanada droht ihm Haft bis zum Lebensende. Der kommende Prozess, der nach der Bundestagswahl beginnt, wird für die Union kein Spaziergang, bedeutet aber auch nicht die mediale Vernichtung. Die mit Spannung erwartete Offenlegung seiner Notizbücher birgt für die Staatsanwälte keine Sensation mehr. Die Prozesse gegen Holger Pfahls und andere sind seit langem geführt. Die Kampagnen gegen Roland Koch mit der Pinocchio-Nase und andere einst honorige Unionsleute sind gefahren. Das Denkmal Kohl wurde längst mit roten Farbbeuteln besudelt. Selbst wenn - größter anzunehmender Unfall aus Sicht der Union - Kohls geheime Spenderliste und Schäubles tiefere Verstrickung offengelegt beziehungsweise nachgewiesen werden könnten, es bliebe bei den Ausflüchten eines Angeklagten, der nichts mehr zu verlieren hat. Vielleicht ist es gut, dass zunächst zehn Jahre ins Land gehen mussten, bis es zu einem Verfahren kommt. Recht und Gesetz müssen durchgesetzt werden und vor Gericht steht ein einziger Angeklagter, nämlich Karlheinz Schreiber. Dessen Schuld ist zu ergründen und zu beweisen. Außerdem: Schmutzige Wäsche, die zu heiß gewaschen wird, läuft ein und ist für nichts mehr zu gebrauchen.
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