Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Frauen in Führungspositionen
Bielefeld (ots)
Wie viele Frauen müssen noch Bundeskanzlerin werden, bevor die erste Vorstandsvorsitzende an die Spitze eines Dax-Konzerns tritt? Es ist ganz offensichtlich: Beim Thema Gleichberechtigung ist die Politik der Wirtschaft weit voraus. Auch im Vergleich zu anderen europäischen Staaten sowie den USA und Kanada hinken deutsche Unternehmen mit ihrem geringen Anteil von Frauen in leitenden Positionen hinterher. Ostwestfalen-Lippe, sonst von Außenstehenden gern als provinziell abgetan, steht in dieser Hinsicht sogar vergleichsweise gut da. Mehrere Familienunternehmen haben Frauen in Spitzenpositionen: Stella Ahlers in Herford, Margrit und Tochter Maresa Harting in Espelkamp, Ulrike Detmers bei Mestemacher in Gütersloh, Sabine Hartmann in einer Paderborner Spedition, Dr. Dagmar Nowitzki beim führenden Kronkorkenhersteller in Versmold. In Detmold behaupten sich eine Mutter und ihre zwei Töchter sogar in einer besonders männlich geprägten Branche an der Spitze der Strate-Brauerei. Selbst der Oetker-Konzern hat an der Spitze seines Beirats mit Rosaly Schweizer eine Frau. Kapitalgesellschaften sind in der Hinsicht auch in OWL rückständig. Wären nicht die Chinesin Ying Zheng bei Dürkopp Adler in Bielefeld und Doris Strätker bei Gerry Weber in Halle: Die Bilanz sähe ziemlich mau aus. Glänzend dagegen das Handwerk: Lena Strothmann ist die erste und nach wie vor einzige Präsidentin an der Spitze einer von 53 Handwerkskammern in Deutschland. Seit junge Frauen die besseren Abiturnoten nach Hause bringen, gibt es keinen fachlichen Grund mehr für die Benachteiligung bei der Besetzung von Führungspositionen. Genetisch ist da schon gar nichts zu machen. So wird denn noch die Biologie ins Feld geführt: Männer können weder Kinder kriegen noch das Baby säugen. Aber sie können - und müssen - Kinder (mit-)erziehen. Der Rest, die Bereitstellung von viel mehr Hort- und Kindergartenplätzen sowie die zum Glück in Gang befindliche Einrichtung von Ganztagesschulen, ist eine Bringschuld der Allgemeinheit und des Staates. In der Politik haben Frauenquoten - ob in den Parteien nun formell beschlossen oder informell verabredet - viel dazu beigetragen, dass die Politikerinnen heute diese Quoten nicht mehr brauchen. Sie gesetzlich auch für die Wirtschaft vorzuschreiben, vertrüge sich allerdings schlecht mit deren privaten Charakter. Ob eine Frau oder ein Mann für einen bestimmten Posten geeignet ist, hängt aus Unternehmersicht nicht nur von der fachlichen Qualifikation ab. Die Frauen kommen in den nächsten Jahren trotzdem - und zwar gewaltig. Nicht etwa, dass Männer plötzlich aus Gründen der Gerechtigkeit freiwillig zurückstünden. Frauen kommen vielmehr, weil sie der Wirtschaft guttun: dem Betriebsklima, dem kreativen Geist und letztlich der Produktivität. Wie alle Monokulturen ist auch die Männerwirtschaft auf Dauer nicht wettbewerbsfähig.
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