Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zum Thema "Schwindel mit Doktortiteln"
Bielefeld (ots)
Alles ist käuflich, auch Intelligenz, die nur auf dem Papier steht. Gegen Schmiergeld sollen mindestens 100 Professoren in Deutschland ungeeigneten Kandidaten zu Doktortiteln verholfen haben. Der Skandal wirft ein Schlaglicht auf den Wissenschaftsbetrieb - hier wird das Gebot der Wahrhaftigkeit immer wieder mit Füßen getreten. Da entpuppt sich ein so harmlos klingendes »Institut für Wissenschaftsberatung« als krimineller Karrierehelfer für Möchtegern-Doktoranden, die über mehr Geld als Grips verfügen, und findet problemlos bereitwillige Privatdozenten und Aushilfsprofessoren als Komplizen. Bis zu 4000 Euro lassen die sich vom Institut dafür überweisen, dass sie intellektuell zweitklassige Kandidaten annehmen, die wiederum bis zu 20 000 Euro an das Institut bezahlt hatten. Junge, wahrheitsliebende Akademiker, die monatelang in Archiven sitzen, schließlich die Arbeit fertigstellen und dann bei der Jobsuche gegenüber einem Kandidaten mit erschwindeltem Doktortitel den Kürzeren ziehen, werden um den Lohn betrogen. Gegen die Gebote der Gerechtigkeit und der Wahrhaftigkeit verstoßen Professoren auch auf anderem Gebiet. Je nach Auftraggeber wird in Gefälligkeitsgutachten die Wahrheit verzerrt. Tabakkonzerne bezahlen Wissenschaftler dafür, dass sie die Risiken des Rauchens verharmlosen. Ölfirmen überweisen Forschern Geld, wenn sie den Klimawandel herunterreden. Auf der Suche nach Fördermitteln für ihre Projekte kneifen Professoren die Augen zu - nach dem Motto »Wes Brot ich ess, des Lied ich sing«. Wie liederlich im Wissenschaftsbetrieb bisweilen mit Wahrheit umgegangen wird, beschreibt der Heidelberger Medizingeschichtler Wolfgang U. Eckart so: »Scheinbar unaufhaltsam nimmt in den letzten Jahrzehnten die Zahl aufgedeckter oder offenkundiger Fälle von Betrug und Täuschung in den Wissenschaften zu.« Studenten schreiben ganze Kapitel aus dem Internet ab und geben das Ganze als ihre Seminararbeit aus. Der Verkauf von Diplom- und Doktorarbeiten blüht. Die Universität von Kalifornien in Berkeley stellte in nur drei Jahren eine Zunahme der Täuschungsversuche um 744 Prozent fest. Um Plagiaten auf die Spur zu kommen, setzen Hochschulen Suchdienste wie Turnition.com ein, die das Internet durchforsten. Technische Hilfe ist das eine, um Auswüchse zu verhindern. Hinzu muss die Ächtung betrügerischer Studenten, Doktoranden und Professoren kommen, gefolgt von Exmatrikulation beziehungsweise Aberkennung der Titel. Der Vorschlag des Deutschen Hochschulverbandes, Doktoranden sollten eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass sie die Promotion ohne fremde Hilfe geschafft haben, sollte ebenfalls umgesetzt werden. Sonst droht unseren Hochschulen zu Lasten der vielen redlich arbeitenden Wissenschaftler bleibender Image-Schaden.
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