Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Stand der Koalitionsverhandlungen/Schattenhaushalt
Bielefeld (ots)
Steffen Kampeter ist nur selten um eine Antwort verlegen. Was der Mindener CDU-Bundestagsabgeordnete und Haushaltsexperte seit zwei Tagen allerdings im Namen von Union und FDP erklären muss, lässt sich nicht erklären. Urplötzlich wird aus neuen Schulden Vermögen, »Sondervermögen« gar - wohl, damit der Schwindel besser klingt. Nichts auszusetzen ist daran, dass Union und FDP nach einem Weg suchen, ihre beiden zentralen Wahlversprechen einzuhalten. Die Menschen erwarten nichts anderes. Klar war auch, dass dieser Weg steinig werden würde: Steuersenkung und Haushaltskonsolidierung sind zugleich nur schwer zu haben - erst recht in der schwersten Wirtschaftskrise seit 80 Jahren. Unmöglich wird das Unterfangen aber, wenn nirgendwo gekürzt werden soll. Vom gleichen Kuchen vielen mehr zu geben und keinem etwas wegzunehmen - das funktioniert nicht. Das weiß auch die schwäbische Hausfrau, von der Angela Merkel so gern spricht. Vielleicht hätte die Kanzlerin bei ihr mal nachfragen sollen. Die Idee des Schattenhaushalts ist dreist, noch dreister ist es, den Coup als »Analogie der Signale« zu verklären. Das tut Kampeter, wenn er sagt: »Wir haben erst den Unternehmen mit der Finanzmarktstabilsierung geholfen, und wir wollen jetzt der breiten Bevölkerung mit der Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme helfen.« Es ist zwar richtig, die drohenden Milliardenlöcher in den Sozialkassen nicht mit höheren Beiträgen, sondern mit höheren Steuerzuschüssen zu stopfen. Andernfalls würden der Faktor Arbeit verteuert und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft geschwächt. Einen Schattenhaushalt braucht es dafür aber nicht. Anders als bei Bankenrettung und Konjunkturpaketen wird das Geld nicht sofort, sondern erst in den Jahren 2010 bis 2013 benötigt. Damit aber gehört es in die entsprechenden Etats. Alles andere ist eine Buchführung, die man in politischen Kreisen kreativ finden mag, die aber jedem Geschäftsmann als kriminell ausgelegt würde. Obendrein wird das Instrument der Schuldenbremse beschädigt, noch bevor es erstmals greifen kann. Was als »Hilfe für die breite Bevölkerung« verkauft wird, hilft zuallererst Schwarz-Gelb. Die neue Regierung gibt sich einen Kredit, um die Bürger mit Steuerentlastungen beglücken zu können. Und wer bezahlt? Der Bürger natürlich, wenn auch nicht sofort. Union und FDP sind dabei, einen formidablen Fehlstart hinzulegen. Während die politischen Gegner frohlocken, reiben sich die eigenen Anhänger verwundert die Augen. Auf erschreckende Weise steht man in der Tradition des SPD-Finanzministers Peer Steinbrück, der stets behauptete: »Der Staat hat kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmenproblem.« Gespart hat sich Schwarz-Gelb bisher nur, vom Sparen zu sprechen. Stattdessen sollen munter Wohltaten bezahlt werden - mit Geld, das nicht da ist. Das ist wahre »soziale Kälte«.
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