Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Mauerfall vor 20 Jahren
Bielefeld (ots)
Zu den schönsten Momenten beim »Fest der Freiheit« gehörte ein einziges fröhliches Durcheinander. Beinahe die perfekte Kopie des 9. November 1989. Am Schauplatz Bornholmer Brücke herrschte auch gestern Nachmittag wieder drangvolle Enge. Und je verwackelter die Fernsehbilder waren und je öfter der Ton ausfiel, desto lebendiger wurden die Erinnerungen an jene Abendstunden, als die Berliner Mauer fiel. Wo vor 20 Jahren überschäumender Jubel herrschte und Tränen des Glücks flossen, machte diesmal tief empfundene, unverstellt zum Ausdruck gebrachte Freude das Besondere des Moments aus. Stets sind es Menschen, die der Geschichte die Seele geben. Gestern war dies auch der Mensch Angela Merkel. Als die Kanzlerin aus der Not eine Tugend machte, etwas ungelenk, aber beherzt zum Mikrofon griff und Zeitzeugen interviewte, war klar: Hier geht es nicht nur um Staatsakt und steifes Protokoll, hier geht es um mehr. Die Deutschen haben vor 20 Jahren unglaublich viel gewonnen. Aus dem Geschenk der Freiheit für die Ostdeutschen ist in nur wenigen Monaten das Geschenk der Einheit für alle Deutschen geworden. Gestern hat Deutschland dafür den Gästen aus aller Welt Danke gesagt. Der Andrang war groß: Die Staats- und Regierungschefs aller EU-Mitgliedsstaaten, US-Außenministerin Hillary Clinton und der russische Präsident Dmitri Medwedew waren gekommen, um mit den Deutschen den Erfolg der friedlichen Revolution zu feiern. Rund um das Brandenburger Tor machten Hunderttausende die Nacht zum Tag - ganz so wie vor 20 Jahren. »Die Welt zu Gast bei Freunden« - auch so hätte das Motto der Feiern zum 20. Jahrestag des Mauerfalls lauten können. Es war eine staatstragende und ausgelassene Feier zugleich, es war eine Feier der großen Worte, eine Feier der lauten Töne und bunten Farben, aber auch der vielen, kleinen Gesten. Es war stimmungsvoll. Und es war würdevoll, weil Kanzlerin Angela Merkel nicht vergaß, den europäischen Nachbarn - allen voran Polen und der ehemaligen Sowjetunion - für ihre Mithilfe auf dem Weg zum Mauerfall und der Einheit zu danken. Würdevoll, weil im Moment der Freude an jene erinnert wurde, die Opfer der innerdeutschen Grenze wurden, die an ihr Lebenschancen oder sogar ihr Leben verloren. Würdevoll schließlich, weil über das Hochgefühl des 9. November 1989 nicht das Grauen des 9. November 1938 in Vergessenheit geriet. Deutschland hat gestern eine wichtige Botschaft in die Welt gesandt. Eine Botschaft, die lautet: Wir wissen um unsere Geschichte und um die Verantwortung, die daraus für Gegenwart und Zukunft erwächst. Und auch die Welt hat eine Botschaft gesandt. Eine Botschaft, die lautet: Unsere anfängliche Skepsis gegenüber dem vereinten Deutschland hat sich längst in Zuversicht und Vertrauen verwandelt. Das ist das wahre Geschenk zum 9. November 2009.
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