Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum geplanten Internet-TÜV
Bielefeld (ots)
Im Internet lauern viele Gefahren: Ein unbedachter Klick lädt einen Virus aus dem Netz, der den Rechner lahmlegt. Einen Mausklick weiter wird dem Internet-Nutzer ein Programm untergeschoben, das seine Konto-Daten ausspäht. Auf der nächsten Website hat ein Hacker ein bösartiges Programm als nützliche Anwendung getarnt, das den Computer des ahnungslosen Verbrauchers fernsteuert und für kriminelle Machenschaften missbraucht, um andere Rechner zu übernehmen oder kinderpornografische Bilder zu verbreiten. Wer ohne aktuellen Virenschutz im Internet unterwegs ist, sein drahtloses Netzwerk nicht absichert oder sein Betriebssystem nicht regelmäßig auf dem Stand der Technik hält, handelt fahrlässig. Sich und andere gefährdet auch, wer es an einem gewissen Maß an Misstrauen und Vorsicht fehlen lässt. Offensichtlich verzichten aber viele Internet-Nutzer auf diese notwendigen Schutzmaßnahmen. Ein Viertel aller Rechner in Deutschland seien mit Schadsoftware infiziert, mutmaßen Experten beim IT-Gipfel der Bundesregierung. Ihre Schätzung fällt offenbar bewusst hoch aus: Das Horroszenario soll die Bereitschaft zum Selbstschutz stärken. In diesem Zusammenhang ergibt es Sinn, dass in Zukunft Experten einer zentralen Beratungsstelle Besitzern von infizierten Rechnern zur Seite springen sollen. Angesichts von geschätzten 60000 Neuinfektionen jeden Monat scheint die Zahl von 40 Mitarbeiter allerdings eher bescheiden. Mit staatlichem Segen eine zentrale Anlaufstelle zu schaffen, die mehr bietet als Informationen, ist unbedingt lobenswert. Die Finanzierung sollte nicht der Steuerzahler übernehmen, sondern die Internetwirtschaft. Bereits heute bietet das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auf seinem Bürgerportal eine Fülle von Informationen für ein ungetrübtes Surferlebnis an, Hersteller von Sicherheitssoftware, Softwareentwickler Microsoft, Fachmagazine und Verbände tun das ihre. Otto-Normalsurfer würde es nicht schwer fallen, sich einen Grundschutz fürs Netz zuzulegen. Die Unbelehrbaren sollen jetzt zu ihrem Glück gezwungen werden, von Sanktionen ist die Rede. Der Ausflug ins Internet soll auf einer Stoppseite enden, wenn auch auf einer hilfreichen. Das ist rechtlich höchst problematisch. Gibt's bald einen Aufkleber, bevor wir ins Internet gehen dürfen? Sollen die Zugangsanbieter die Datenströme nach Virenaktivitäten scannen und wird der vom Netz ausgeschlossen, dessen Rechner »krank« ist? Dürfen wir ohne eine bestimmte Software nicht mehr online gehen? Dem Bürger drängen sich viele Fragen auf, Antworten bekommt er wenige. Da passt die Forderung, die zu bestrafen, die nicht mitmachen, schlecht ins Bild. Als Angebot an den Bürger, flankiert von einer Aufklärungskampagne, ist die Beratungsstelle, möglichst beim BSI angesiedelt, eine gute Investition. Dafür, alle Internetnutzer unter Generalverdacht zu stellen und ihnen zu drohen, ist es zu früh.
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