Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Merkel unter Druck:
Bielefeld (ots)
Es gibt wohl kaum jemanden, der sich das Weihnachtsfest sehnlicher herbeiwünscht als Angela Merkel. Der Bundeskanzlerin geht es aber nicht um Geschenke unterm Tannenbaum oder etwa den Verzehr des Weihnachtsbratens. Angela Merkel wünscht sich vielmehr Ruhe und Besinnlichkeit. Denn es sind stürmische Wochen für die Regierung. Der Wind weht von rechts, und der Wind weht von links, von vorne und hinten. Und mittendrin befindet sich Angela Merkel. Es läuft nicht gut für sie und Schwarz-Gelb. Aktuelles Beispiel: die vielen offenen Fragen um die Tanklaster-Bombardierung in Afghanistan. Wusste die Regierung schon viel früher, dass bei dem Angriff weit mehr als 100 Menschen getötet wurden und sich darunter auch zahlreiche zivile Opfer befanden? Und war das sogar Angela Merkel persönlich schon viel früher bekannt? Hat die Bundesregierung auf Formulierungen einzelner Berichte eingewirkt? Diese und weitere unangenehme Fragen werden im Untersuchungsausschuss gestellt. Die SPD hat sich schon in Stellung gebracht. Fast 100 Beweisanträge und 50 Zeugen sollen Merkel und Guttenberg das Leben schwer machen. Das Kundus-Desaster schwebt derzeit wie ein Damoklesschwert über dieser Regierung. Auch nach der Kabinettsumbildung hat sich daran nichts geändert. Dass Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg am Freitag zum Blitzbesuch nach Kundus gereist ist, zeigt, dass zumindest Aufklärungsbedarf in dieser Angelegenheit besteht. Kundus ist aber nicht die einzige Sorge der Bundeskanzlerin. Einige ihrer Ministerpräsidenten tanzen derzeit höchst unangenehm aus der Reihe. Nach Peter Müller (Saarland) droht auch Peter Harry Carstensen (Schleswig-Holstein) damit, dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz (unter anderem 8,5 Milliarden Euro Steuerentlastungen) am kommenden Freitag im Bundesrat nicht zuzustimmen. Darüber wird beim Krisengipfel an diesem Sonntag im Kanzleramt zu reden sein. Weitere Störfeuer sind der ungelöste Streit um das Betreuungsgeld (»Herdprämie«), die offenen Fragen um die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach und ihren Sitz im Beirat der deutsch-polnischen Stiftung »Flucht, Vertreibung, Versöhnung«. Und zu allem Überfluss schießt Horst Seehofer (CSU) immer wieder quer. Sein Nein zur Aufstockung der deutschen Truppen in Afghanistan zeigt beispielhaft, dass das Regieren mit ihm nicht leicht ist. Auch bei der Reform im Gesundheitswesen machte er Schwierigkeiten. In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob Angela Merkel die Koalition aus der Krise führen kann. Die Kanzlerin muss beim Klimagipfel punkten, die Ministerpräsidenten auf Kurs bringen und die Kundus-Affäre überstehen - sonst drohen ihr ganz schwere Zeiten.
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