Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema "Steuerhinterziehung"
Bielefeld (ots)
Die geschwurbelte Formulierung täuscht. »Vom Ziel her sollten wir, wenn diese Daten relevant sind, auch in ihren Besitz kommen«, sagt die Bundeskanzlerin. Für Angela Merkels Verhältnisse ist das nichts anderes als ein ziemlich klares: »Ja, wir kaufen.« Wir kaufen die Steuer-CD, und die Volksseele findet schnell wieder Ruhe in einer Debatte, die gerade erst anhob, sich in grundsätzliche rechtsstaatliche Erwägungen zu verlieren. Es ist ja auch zu verlockend: Geschätzte 100 Millionen Euro Steuernachzahlungen sollen schlappe 2,5 Millionen Euro - nennen wir es Belohnung - kosten. Das ist in der Tat ein Geschäft. Doch leider ist es noch kein Argument. Ebenso wenig wie übrigens die Tatsache, dass die Bösewichte diesmal nicht nur unter den Besserverdienern, sondern sogar unter den Bestverdienern zu suchen sind. Auch wenn eine Steuerschuld von einer Million Euro etwas anderes ist als ein zu Unrecht steuerlich geltend gemachtes Arbeitszimmer - vor dem Gesetz sind alle Bürger gleich. So bleibt der Verdacht im Raum, dass der Staat Rechtsbruch begeht und sich der Hehlerei schuldig macht. Wenn aber der Kauf der CD trotzdem erlaubt ist, was ist dem Staat dann noch zu verbieten? Auch weil die juristische Abwägung der verschiedenen Rechtsgüter im Fall Zumwinkel unterblieb, hilft nur die Flucht in die Moral. Das ist nicht das Schlechteste, denn wie sagte jemand gestern treffend: »Wenn der Staat diese CD nicht kauft, bleibt das letzte Stückchen Steuergerechtigkeit auf der Strecke.« »Das letzte Stückchen« - die Formulierung verrät, dass der Kampf um das große Stück Steuergerechtigkeit verloren gegeben scheint. Dieser Kampf aber wäre zu führen, denn die CD allein kann keine Gerechtigkeit bringen. Dazu müssten die Steuerstrafbehörden personell und finanziell gestärkt werden. Das lohnt sich immer, denn jeder Steuerfahnder holt für den Staat weit mehr herein, als er ihn kostet. Zudem müsste sich die deutsche Politik ernsthaft darum bemühen, Steueroasen wie der Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein vertragliche Regelungen über den Austausch von Bankdaten abzutrotzen. Dazu braucht es nicht die Steinbrücksche Kavallerie, wohl aber große Ernsthaftigkeit. Besonders überzeugend hätten diesen Kampf übrigens all jene Politiker zu führen, die den Ankauf der Daten skeptisch sehen. Das würde die Gewissheit stärken, dass auch sie an der nachhaltigen Strafverfolgung aller Steuersünder interessiert sind. Kommen wird es zu alldem freilich kaum. Zu groß ist die Mühe, zu lang der Weg und zu wenig schlagzeilentauglich das Ergebnis. Also begnügen wir uns: der Staat mit ein paar zusätzlichen Steuermillionen; wir Medien mit ein paar prima zu vermarktende Bildern prominenter Steuersünder; die Bürger mit dem guten Gefühl, dass es endlich einmal nicht nur die Kleinen, sondern auch ein paar Große erwischt hat. Die Aufregung legt sich und der systematische Steuerbetrug geht in aller Ruhe weiter.
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