Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Käßmann-Rücktritt
Bielefeld (ots)
Respekt! Auch in der Stunde der Not blieb sich Margot Käßmann treu. So unentschuldbar ihr Fahren unter Alkohol bleibt, so kompromisslos hat sie die Konsequenzen daraus gezogen. Rücktritt als EKD-Ratsvorsitzende und als Landesbischöfin - Margot Käßmann hat alles getan, was sie noch selbstbestimmt tun konnte: Sie will weiteren Schaden von sich und der Kirche abwenden. Das dürfte vor allem die Kritiker überraschen, die der streitbaren Kirchenfrau stets zu große Ich-Bezogenheit unterstellt haben. Margot Käßmann hat gestern ihr Streben nach Geradlinigkeit nicht nur beschrieben, sie hat es bewiesen. Dem Eingeständnis von Schuld und Reue folgte die scharfe Analyse: »Ich kann und ich will nicht darüber hinwegsehen, dass das Amt und meine Autorität als Landesbischöfin und Ratsvorsitzende beschädigt sind.« Margot Käßmann hat die Frage beantwortet, die längst im Raum stand und die fortan immer wieder gestellt worden wäre. Sie hat den Spielraum genutzt, den ihr das einmütige Vertrauensvotum der EKD-Spitze eröffnet hatte. Müßig ist es, darüber zu spekulieren, ob dieses Votum aufrichtig war oder sie nicht doch hinter den Kulissen zum Rücktritt aufgefordert worden ist. Dieses Maß an Achtung hat Margot Käßmann verteidigt. Zu Recht verloren glaubt sie hingegen ihre »Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen und zu beurteilen«. Ein »Nichts ist gut in Afghanistan« hätte aus ihrem Mund kaum wieder eine solche Wirkung wie noch zu Neujahr entfalten können. Konnte es also keinen anderen Weg geben? Doch, aber er wäre schwer geworden und noch steiniger, als es Margot Käßmanns Weg bis an die Spitze der EKD ohnehin war. Es wäre ein Weg gewesen, der sie auf ungute Weise abhängig und angreifbar gemacht hätte. Ein Weg, der nie ihr Weg war und der auch nie richtig ihr Weg geworden wäre. Doch bleibt ein Unbehagen, mag auch die Würde des Amtes gewahrt und das Fehlverhalten der Kirchenfrau moralisch ausreichend gesühnt sein. Ein Unbehagen, weil diese Margot Käßmann mit ihrem Mut und ihrer Standfestigkeit der Evangelischen Kirche und der Wertediskussion in unserem Land so gut getan hat. Dabei musste man gar nicht ihre Ansichten teilen. Käßmanns Rücktritt ist vor allem deshalb ein so großer Verlust, weil ihre Stimme innerhalb und außerhalb der Gotteshäuser Gehör fand. Das hat auch damit zu tun, dass sie eine Frau von dieser Welt ist. Eine Frau, die im Leben steht und dessen Höhen und Tiefen aus eigener Erfahrung kennt. Vielleicht auch deshalb strahlte sie eine Kraft aus, wie sie heute nur von wenigen Kirchenführern ausgeht. So löst Margot Käßmanns Rücktritt für die Evangelische Kirche nicht nur ein großes Problem, er schafft auch eines. Jeder neue EKD-Ratsvorsitzende wird es schwerhaben, über den Rang einer »zweiten Wahl« hinauszukommen. Auch das konnte Margot Käßmann freilich nicht die Last ihrer Entscheidung nehmen. Es ist gut, dass sie sich nicht für unersetzlich hält. Besser wäre es nur gewesen, wenn sie am Samstagabend darauf verzichtet hätte, sich ans Steuer zu setzen.
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