Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Staat und den Parteien:
Bielefeld (ots)
Wer bin ich? Diese Frage treibt viele Menschen um. Auch Politiker sind davon nicht frei. Nur tritt bei ihnen von Zeit zu Zeit ein Fragesonderfall auf: nämlich »Wer bin ich heute?«. Oder mit anderen Worten: In welcher Funktion trete ich heute auf? Die Antwort scheint nicht immer einfach zu sein. Sachsens CDU-Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzender Stanislaw Tillich ist da in der Weihnachtszeit offenbar erheblich durcheinander gekommen. In einem Schreiben an alle Landesbeamten dankte er den Staatsdienern, dass sie durch ihre Arbeit an dem erfolgreichen Abschneiden der CDU bei den Landtagswahlen im August 2009 mitgewirkt hätten. Wer sich darüber nun wunderte, erhielt zur Antwort aus der Staatskanzlei, man habe mit diesem Schreiben ein »motivierendes Gruppengefühl« bei den Beamten erzielen wollen. Dieser Vorgang lässt den Schluss zu, dass die sächsische CDU mit der Unterscheidung zwischen Landespartei und Landesregierung nicht recht klar kommt. Denn ein Landesbediensteter ist zwar dem Freistaat verpflichtet, aber nicht der CDU. Wir-Gefühle mögen beim Arbeiten weiterhelfen, aber dabei darf nicht aus dem Blick geraten, was eigentlich »unseres« ist - und was nicht. Deswegen war es sehr hilfreich, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) - eigentlich auf das umstrittene Parteiensponsoring in Sachsen und Nordrhein-Westfalen gemünzt - daran erinnerte, dass es wichtig sei, »dass man nicht die Ämter verwechselt.« Das unscheinbare Wort »Amtszeit« enthält eine Information, die in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung ist: Da bekommt jemand ein Amt auf Zeit. Von dauerhaften Besitzrechten ist nicht die Rede. Die offenbar beträchtliche Schwierigkeit, Regierungs- und Parteiinteressen nachvollziehbar auseinander zu halten, hat zuletzt auch der NRW-Landesregierung von Jürgen Rüttgers (CDU) ungeahnte Schwierigkeiten bereitet. Dabei ist die Suche nach legalen Einnahmequellen an sich nicht zu beanstanden. Wie die CDU in Sachsen muss sich die CDU in NRW aber fragen lassen, ob sie mit dem Angebot von Rüttgers-Gesprächen dazu beigetragen hat, dass die Frage nach Einflussnahme auf Regierungspolitik durch Geldzahlungen im Raum steht. Wer Lehren aus diesen Vorgängen ziehen will, der muss den Streit um das Sponsoring in Düsseldorf und Dresden als Hinweis auf ein Problem der Parteienfinanzierung verstehen. Deshalb ist es gut, dass auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) anregt, die Vorschriften im Parteiengesetz im Hinblick auf das Sponsoring zu prüfen. Es diente der Glaubwürdigkeit der Volksvertreter, wenn als Ergebnis Grauzonen der Finanzierung ausgeleuchtet würden. So wie reguläre Parteispenden endlich schnell veröffentlicht werden, sollten auch Sponsoringvereinbarungen vollkommen transparent sein. Denn Parteienfinanzierung im Verborgenen schadet der Demokratie ebenso wie der Eindruck, eine Partei betrachte ein Land als ihre Beute.
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