Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Missbrauch/Kirche
Bielefeld (ots)
Die katholische Kirche ringt um ihren Ruf und sie ringt mit selbst - auch zu Ostern. Noch bevor der Papst den Ostergottesdienst feierte, kam Kardinal Angelo Sodano auf das Thema Missbrauch zu sprechen - wenn auch indirekt. Vom Protokoll abweichend, versicherte er Benedikt VXI.: »Das Volk Gottes ist mit Ihnen und wird sich nicht vom Geschwätz des Moments beeindrucken lassen.« Was als Solidaritätsadresse an den Heiligen Vater gemeint war, wirkte wie eine neuerliche, fast trotzige Verteidigungsrede. Auch machten Vokabeln wie »Propaganda«, »Diffamierungskampagne« und »verleumderische Angriffe« im Vatikan die Runde. Unstrittig ist, dass manch Kritiker die Missbrauchsfälle zum Generalangriff auf die katholische Kirche missbraucht. Das ist verwerflich. Die Kirche verteidigt sich zu Recht - sie ist sogar dazu gezwungen. Dabei darf sie sich jedoch - um ihrer selbst Willen - nicht dazu verleiten lassen, in die Rolle des Opfers zu flüchten. Zu schwerwiegend sind die Vergehen an den missbrauchten Menschen. Der Ruf der Kirche ist längst zu nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen, als dass man Zeit hätte, sich ob falscher Verdächtigungen zu sorgen. Nicht leiden kann die Kirche auch an dem Fakt, dass sie als hohe moralische Instanz an höheren Maßstäben gemessen wird als andere. Erst wenn das nicht mehr passiert, ist es um die Kirche geschehen. Dabei bleibt wahr, dass Missbrauch und Misshandlungen ein gesamtgesellschaftliches und nicht etwa ein rein innerkirchliches Problem sind. Dabei bleibt wahr, dass Missbrauch am häufigsten im direkten familiären Umfeld geschieht. Und dabei bleibt wahr, dass es eine direkte Verbindung zwischen Zölibat und Missbrauch jedenfalls nicht dergestalt gibt, dass die Ehelosigkeit der Priester Ursache allen Übels wäre. Doch all diese Fakten taugen für die Kirche nicht zur Entschuldigung. Natürlich waren es einzelne Täter, die sich schuldig gemacht haben. Sie haben den Schutz kirchlicher Einrichtungen und das besondere Vertrauen, dass die Gesellschaft der Kirche schenkt, aufs Schändlichste ausgenutzt. Sie haben zuvorderst das Leben ihrer Opfer zerstört und erst dann ihrer Kirche geschadet. Doch auch die Kirche trägt eine Mitschuld, weil sie zu sehr um ihre Würdenträger und sich selbst besorgt war. Es wurde auch deshalb so lange geschwiegen und vertuscht, weil das Ansehen der Kirche auf dem Spiel stand. Dieses Versagen haben Robert Zollitzsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, und vor allem sein Vorgänger, Kardinal Karl Lehmann, am Osterwochenende klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Ihre Einlassungen müssen für jeden katholischen Christen schmerzhaft sein. Doch geben sie Hoffnung, dass die katholische Kirche in Deutschland mit ihrer Schuld umzugehen lernt und aus ihren Fehlern Konsequenzen zieht. An Ostern feiert die Christenheit die Auferstehung. Eine Erneuerung, die Reue und Umkehr voraussetzt. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, welchen Weg der Erneuerung die Weltkirche zu gehen bereit ist.
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell