Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Daimler/Renault
Bielefeld (ots)
Ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Dass diese alte Weisheit nicht immer zutrifft, zeigt sich am Beispiel von Daimler. Nach zwei missglückten und teuer bezahlten Partnerschaftsversuchen mit Chrysler und Mitsubishi wagt der Stuttgarter Autobauer nun erneut einen Anlauf. Das gestern unterzeichnete Bündnis mit Renault-Nissan aber steht unter komplett anderen Vorzeichen. Es ist weder eine Liebesheirat noch der Einstieg eines Großen bei einem Kleinen. Die beiden Konzerne gehen eine strategische Kooperation ein, die beiden Seiten Vorteile bringen soll - und vermutlich auch bringen wird. Euphorie wäre allerdings fehl am Platz. Und so ist es kaum verwunderlich, dass Daimler-Vorstand Dieter Zetsche und Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn eher nüchtern und sachlich den Start für ihren gemeinsamen Weg verkündet haben. Dieser ist für Daimler unerlässlich, um auf dem Markt der Kleinwagen Fuß zu fassen. Denn nur mit kleineren, verbrauchsgünstigeren Autos können die im Mittel- und Oberklassesegment starken Stuttgarter die vorgegebenen CO2-Grenzwerte erreichen. Allein aber sind weder Entwicklung noch Ausbau einer solchen Fahrzeugklasse nicht zu stemmen. Der französisch-japanische Gemeinschaftskonzern Renault-Nissan indessen ist just bei Stadtwagen sehr stark aufgestellt. Diese Kompetenz kann Daimler nun nutzen. Beispielsweise für eine neue Smart-Familie - neben einem neuen Zweisitzer ist erneut ein Viersitzer geplant, weitere Varianten sind denkbar. Gemeinsamkeiten stehen unter anderem auch bei den zukünftigen Elektroautos auf dem Programm. In all diesen Fahrzeugklassen rechnen die Käufer mit spitzem Bleistift, werden es sicher verschmerzen, wenn unterm Blech nicht nur Mercedes- sondern auch Renault-Komponenten verbaut sind. Hauptsache, Qualität und Preis stimmen. Anders sieht es bei Kernmodellreihen der Stuttgarter aus. Bei C-, E- und S-Klasse werden die Kunden äußerst sensibel reagieren, wenn - selbst hochwertige - Technik vom französisch-japanischen Bündnispartner eingebaut wird. Auf der anderen Seite werden Renault- und Nissan-Fahrer keinesfalls Anstoß daran nehmen, wenn erstklassige Mercedes-Motoren ihr Auto antreiben. Wenn Daimler und Renault-Nissan die Kooperation mit ausreichend Fingerspitzengefühl pflegen und die prognostizierten milliardenschweren Synergieeffekte tatsächlich erreicht werden, dann wird aus dem geschlossenen Zweckbündnis vielleicht doch noch ein echtes Liebesverhältnis. Bis es soweit ist, müssen bei Daimler aber die schwachen Absatzzahlen des Smart (soll 2013 neu kommen), sowie der A- und B-Klasse (Ende 2011 neu) irgendwie kompensiert werden. Und auch Renault-Nissan schwimmt derzeit keinesfalls auf einer Erfolgswelle. Grund genug also, das Bündnis ohne jede Euphorie zu besiegeln.
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