Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur NRW-Landtagswahl
Bielefeld (ots)
Was für ein Desaster für die CDU, für Jürgen Rüttgers und auch für Angela Merkel! Historisch schlechtes Landtagswahlergebnis und ein Minus von zehn Prozentpunkten im Vergleich zu 2005: Dieser 9. Mai 2010 trifft die CDU ins Mark. Nur das Feilschen um letzte Zehntel-Prozentpunkte verhinderte gestern Abend noch personelle Konsequenzen. Doch die politische Zukunft von Jürgen Rüttgers ist ungewisser denn je. Einen solchen politischen Erdrutsch hätte vor drei Monaten niemand erwartet. Zweifelsohne hat der kapitale Fehlstart der schwarz-gelben Bundesregierung großen Anteil am Absturz des Düsseldorfer Regierungsbündnisses. Folgerichtig traf es auch die FDP. Die Liberalen konnten zwar leicht zulegen, blieben aber mit Blick auf das starke Bundestagswahlergebnis weit hinter den selbstgesteckten Zielen zurück. Doch nicht nur in Berlin, auch in Düsseldorf sind entscheidende Fehler gemacht worden. Viel zu lange hat sich die Koalition auf guten Umfragewerten ausgeruht. Viel zu selten wurde über die eigene Leistungsbilanz geredet. Vor allem die CDU hat erst gar keinen und dann einen reinen Abwehrwahlkampf geführt: »keine Experimente«, »keine Einheitsschule« und vor allem »kein Rot-Rot-Grün«. Das war zu wenig. Hinzu kam eine unfassbare Serie von Pannen. Beinahe- und Mini-Skandale sowie zahllose Indiskretionen bestimmten das Bild der CDU in der Öffentlichkeit. Wahr ist auch, dass Rüttgers und Co. die Opposition, vor allem aber die SPD-Spitzenfrau Hannelore Kraft, viel zu lange unterschätzt haben. Tatsächlich als Verlegenheitskandidatin gestartet, hat die Mülheimerin Zug um Zug an Profil gewonnen. Kraft drückte der Debatte um das Thema Bildung ihren Stempel auf. Am Ende hatte die »Kümmerin« den Arbeiterführer Rüttgers sogar im Direktvergleich überflügelt. Mit ihrer erfolgreichen Aufholjagd hat Hannelore Kraft nicht nur der SPD an Rhein und Weser, sondern der gesamten deutschen Sozialdemokratie neues Leben eingehaucht. Der Dank von Parteichef Sigmar Gabriel dürfte ihr sicher sein, obwohl die SPD im Vergleich zum schlechten Ergebnis von 2005 nicht etwa hinzugewonnen, sondern nochmals mehr als zwei Prozentpunkte eingebüßt hat. Ohne Einschränkung als Sieger dürfen sich die Grünen fühlen. Der selbstbewusste Kurs der pragmatischen Spitzenfrau Sylvia Löhrmann, die ihre Partei strategisch klug zwischen SPD und CDU positioniert hat, ist belohnt worden. Zufrieden sein kann auch die Linkspartei, der der Sprung in den Landtag am Ende relativ klar gelungen ist. Egal, welche Koalition demnächst in Düsseldorf regiert - auf Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre CDU kommen ungemütliche Zeiten zu. Die Bundesratsmehrheit ist weg, und damit stehen wichtige bundespolitische Reformprojekte, allen voran die Steuer- sowie die Gesundheitsreform, auf der Kippe. Neuer Streit mit der FDP scheint programmiert. Vor allem aber dürfte die parteiinterne Debatte um den Kurs der CDU wieder entbrennen. Schon heute treffen sich die Merkel-Kritiker in Berlin.
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