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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Bauzinsen

Bielefeld (ots)

Häuslebauer wissen: Baufinanzierung ist immer ein wenig wie Roulette spielen. Soll man die Hypothek jetzt abschließen, doch lieber auf fallende Zinsen setzen, oder werden in zwei, drei Monaten schon wieder ein paar Zehntelprozentpunkte mehr aufgerufen? Doch plötzlich ist alles anders: Baugeld gibt es so billig wie nie zuvor, die Zinsen können kaum noch weiter sinken. Internetbanken bieten Darlehen mit fünfjähriger Laufzeit mittlerweile zu 2,5 Prozent oder weniger an - das klingt wie Sommerschlussverkauf. Während Häuslebauer und Hypothekenumschulder jubeln, fragt sich Otto Normalverbraucher: Ist das noch normal? Nein, das ist es nicht. Die Schleuderpreis-Hypotheken sind eine Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise, die vor allem in den USA noch immer nicht überwunden ist. Anders als in Deutschland, wo sich ein stabiles Wachstum abzeichnet, verlangsamt sich dort die Konjunkturerholung. Die US-Notenbank pumpt verzweifelt Milliarden um Milliarden in den Markt, doch der Aufschwung bleibt aus. Experten erwarten eine Erhöhung der Leitzinsen in den USA frühestens für das kommenden Jahr. Die Geldpolitik in den USA mit Zinsen nahe dem Nullpunkt legt auch der Europäischen Zentralbank Fesseln an. Gerade einmal ein Prozent Zinsen verlangt sie für Kredite an Banken, die das Geld entsprechend billig an ihre Kunden weitergeben können. Zu wenig, um der Inflationsgefahr im Euroraum vorzubeugen, meinen Experten. Doch eine einseitige Zinserhöhung würde den Eurokurs steigen lassen und damit den Export abwürgen. Also bleibt es auch in Europa beim billigen Geld, das nach Anlagemöglichkeiten sucht. Protzige Renditen lassen sich mit Hypotheken nicht erwirtschaften. Doch dafür ist das Geschäft für die Banken hierzulande nahezu ohne Risiko. Denn anders als in den USA, wo die berüchtigten Subprime-Kredite zu fragwürdigen Konditionen an nicht ausreichend zahlungskräftige Privatkunden verschleudert wurden, ist der deutsche Immobilienbesitzer so etwas wie der Mercedes unter den Abzahlern. Riskante 100-Prozent-Finanzierungen sind die Ausnahme, Häuser und Wohnungen gelten als wertstabil. Doch genau hier liegt das Risiko der Billigzinsen. Hypotheken rechnen sich plötzlich auch für Geringverdiener, die von den eigenen vier Wänden bislang nur träumen konnten. Banken wie Verbraucher tun gut daran, den Taschenrechner nicht vorschnell aus der Hand zu legen. Kann ich die Hypothek auch dann noch abstottern, wenn in fünf oder zehn Jahren wieder vier, fünf oder gar acht Prozent Zinsen verlangt werden, wie es ja über Jahrzehnte hinweg normal war? Wer diese Frage nicht ehrlich mit Ja beantworten kann, sollte der Verlockung des billigen Geldes besser nicht erliegen. Für alle anderen gilt: Weihnachten ist in diesem Jahr schon im Hochsommer. Das Zinsgeschenk muss nur noch abgeholt werden.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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