Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Rente mit 67
Bielefeld (ots)
Die Deutschen werden immer älter. Um vier Jahre, so sagen Experten voraus, nimmt die Lebenserwartung bis zum Jahr 2030 zu, um weitere vier Jahre bis zum Jahr 2060. Das ist schön. Bis zum Jahr 2060 wird die Bevölkerung aber zugleich um mindestens zehn, vielleicht sogar 15 Millionen Menschen zurückgehen, schätzt das Statistische Bundesamt. Das ist schlecht. Denn damit wächst die Last der Jüngeren, die Älteren zu versorgen. Die Politik steht vor der schwierigen Aufgabe, für Generationengerechtigkeit zu sorgen. Gelungen ist das noch längst nicht - trotz der bevorstehenden Rente mit 67. Kein Politiker, gleich welcher Partei, verkündet gerne schlechte Nachrichten. Es ist bezeichnend, dass erst die Große Koalition aus SPD und Union die Kraft dazu fand, die Deutschen mittelfristig zwei Jahre später in Rente zu schicken. Ebenso bezeichnend ist es, dass die neue Führung der nach links gerückten SPD von diesem Beschluss heute am liebsten nichts mehr wissen will und den Ausweg durch die Hintertür sucht. In der Opposition ist Populismus wohlfeil - auch wenn der frühere SPD-Chef und Arbeitsminister Franz Müntefering vor Wut schäumt. Denn Müntefering weiß: Die Sympathiepunkte, die Parteichef Sigmar Gabriel kurzfristig einstreichen will, werden langfristig zur Hypothek für die SPD, die dereinst als Regierungspartei ja selbst wieder vor die Rentenfrage gestellt sein könnte. »Gut für die Glaubwürdigkeit von SPD und Politik insgesamt ist das nicht«, schreibt Polit-Rentner Müntefering seinem Nachfolger ins Stammbuch. Dabei ist längst klar: Ein Zurück kann es nicht geben. Geschieht nicht ein doppeltes Geburten- und Konjunkturwunder, so wird im Jahr 2025 über die Rente mit 70 diskutiert werden müssen. Arbeiten bis 70? Auf dem Bau? Als Krankenschwester? Im Schichtdienst am Band? Nein, so wird es natürlich nicht kommen. Das tatsächliche Renteneintrittsalter wird auch in Zukunft weit unter 70 oder auch nur 67 Jahren liegen. Nur wird die Rente dann deutlich schmaler ausfallen. Schon heute wird die Rente um 3,6 Prozent für jedes vorgezogene Ruhejahr gekürzt. Wer also künftig nicht bis 67 arbeitet, sondern nur bis 62, büßt knapp ein Fünftel seines Altersgeldes ein. Diese Wahrheit sprechen Politiker ungern aus. Doch auch die 20 Millionen Rentner, die bereits Altersgeld beziehen, werden den Gürtel enger schnallen müssen. Zwar hat sich auch die Große Koalition nicht getraut, die rechnerisch im vergangenen Jahr fällig gewesene Rentenkürzung durchzuziehen. Laut Rentenversicherung beläuft sich der Vorschuss auf mittlerweile 3,81 Prozentpunkte - die müssen erst einmal aufgeholt werden, bevor es wieder Erhöhungen geben kann. »Denn eines ist sicher: die Rente«, ließ Bundesarbeitsminister Norbert Blüm im Jahr 1986 plakatieren. Heute gilt: Sicher ist nur eines - die Rente wird sinken.
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